Mittwoch, 13. Juli 2016

Survival Trip

Der letzte Monat läuft an. Und diesmal ist es wirklich der letzte! Vor etwa einem halben Jahr schrieb ich ein Posting über die minutiöse Planung in Phasen, die von extremer Überlastung geprägt sind - damals wusste ich noch nicht, dass meine Arbeit viel länger dauern würde als geplant. Das halbe Jahr mehr hat mich tatsächlich gerettet und trotzdem wird es zum Ende hin einfach eng. Und - wie könnte es anders sein - gerade nun funken mir noch andere Aufgaben dazwischen, die mich für eine komplette Woche lahm legen, was das Ganze zunehmend ungemütlich macht. Und dann ist da ja noch der Job, in den ich mich zugegebenermaßen ziemlich hineinknie und in dem einfach genau so viel Herzblut drinsteckt, wie in meinem Alleinerziehendenprojekt.

Wie wichtig letzteres ist, wird mir tagtäglich klar, wenn ich in den sozialen Medien diverse Beiträge von den beiden von mir sehr geschätzten und sehr engagierten Frauen - Alexandra Widmer, die gerade ihr (mit Sicherheit absolut lesenswertes - ich freue mich extrem darauf!)  Buch auf den Markt gebracht hat und Christine Finke, die ebenfalls vor recht kurzer Zeit veröffentlich hat - lese. Beide sind auch immer wieder in den Medien vertreten wie heute erst - Christine Finke war auf Deutschlandradio Kultur zu hören, was auch noch einer meiner erklärten Lieblingssender ist. Ganz zu schweigen von der hochaktuellen Bertelsmannstudie. Aber auch der vereinbarkeitsblog oder "Mutterseelenalleinerziehend" und nicht zuletzt Rona Duwe (alle sind hier im Blog verlinkt) - alle schrei(b)en hinaus, wie sehr es bei "uns" an allen Ecken und Enden brennt.

Oh ja, und bei mir brennt es gerade ganz besonders. Ich merke, wie mein Nervenkostüm gerade äußerst dünn ist und fahre viel schneller aus der Haut, als sonst. Mit meiner Mutter hat es öfters mal gewaltig gekracht und auch mein Sohn merkt, dass Mamas Zündschnur gerade etwas verkürzt ist.

Umso wichtiger, immer wieder mal da, wo es geht, etwas für die Seele einzubauen, auch, wenn es schwer ist. Es darf halt keine Zeit kosten. Aber dann kommen Tage, die mich in die Erschöpfung treiben und das hat meist Gründe, die mit der Studie wenig zu tun haben. Die erwähnten Streitereien mit meiner Mutter, die aber gleichzeitig die einzige ist, auf die ich immer zählen kann, wenn es darum geht, sich mit mir um meinen Sohn zu kümmern. Ärgernisse, die den Vater betreffen, der wirklich ein ganz feiner Mensch ist und den ich nach wie vor nie böse sein könnte, der es  aber einfach nicht auf die Reihe bekommt, mir mit ein wenig Vorlaufzeit mitzuteilen, wann er den Jungen nimmt - erst recht die Ferien betreffend - und folglich, dass ich eine teure Ferienbetreuung buchen muss, um dann am 10. Juli die Umgangstermine für Juli (!) zu erfahren und auf mein Drängen hin dann auch, auf welche Augustwochen der Urlaub nun verlegt wurde... Für mich ein Graus, denn ich muss meine Planung - gerade, wenn die Arbeit am 15.8. ins Korrektorat gehen soll - viel früher machen! Tja, an dem Tag war ich dann also dank der neuen Informationen drei (!) Stunden damit beschäftigt, mit Papa und Oma die Betreuungszeiten zu planen. Muss ich erklären, was das mit meinem dünnen Nervenkostüm anrichtet?

Zusätzlich mache ich mir Gedanken um meinen Sohn, der sehr sensibel ist und meine Anspannung natürlich spürt. Aber noch mehr regt mich der Anruf seiner Lehrerin auf, weil er nicht alle (der acht Seiten!) Hausaufgaben gemacht hat. Sie sei ihm persönlich nachgelaufen, weil etwas im Heft gefehlt habe, und er habe es am nächsten Tag nicht erledigt - das habe sie enttäuscht. - Das Telefonat dauerte eine halbe Stunde. Am nächsten Tag schrieb ich einen Brief an sie, dass ich beschlossen hätte, dass der Junge nun nichts mehr machen müsse, was über eine halbe Stunde Arbeit hinausgehe. Habe ich beschlossen - Tipp einer Mama aus der Parallelklasse. Meinem Sohn mache ich vor den Ferien keinen Druck mehr!

Ganz nebenher laufen im Job diverse Baustellen, die vor allem damit zu tun haben, dass meine Stelle in dem laufenden Projekt bis Ende Oktober befristet ist und ich gerne dran bleiben würde, bis klar ist, ob ein großes Projekt, in dem ich promovieren könnte, finanziert wird. Es stand ein langer Termin an - für mich sehr wichtig, sehr offiziell - und ich totales Frischfleisch. Plötzlich sitze ich an einem großen Tisch mit Menschen aus einer Liga, die mir völlig neu ist. Und auch wenn ich nicht gerade schüchtern bin - im Gegenteil - fühle ich mich bei jedem Wort, das aus mir heraussprudelt, völlig unsicher. Nach drei Stunden war ich dann völlig erschöpft, aber scheinbar war mein Beitrag nicht schlecht - ich habe am Montag als allererstes gefragt, ob ich in ein Fettnäpfchen gesprungen bin - kam die Rückmeldung, was ich gesagt habe, sei völlig in Ordnung gewesen. Nun gut. Immerhin.

Ab Dienstag habe ich dann anderthalb Wochen "Urlaub" und knie mich in meine Masterarbeit, die dann hoffentlich bald fertig ist. Bis dahin werden alle Haushaltsaktivitäten inklusive Kochen bis auf ein Minimum reduziert. Ich habe vor der Tür drei türkische, drei asiatische und einen arabischen Takeaway, einen Griechen, zwei Pizzadienste - ganz zu schweigen davon, dass ich diese online-Lieferdienste schon immer mal testen wollte. Wenn ich nachts aufwache und nicht schlafen kann, stehe ich umgehend auf und sitze notfalls um 3.15 Uhr schon an der Arbeit, um abends mit Söhnchen ins Bett zu plumpsen. Der wiederum belagert mich nachts fast rund um die Uhr, was mir zeigt, dass er echten Nachholbedarf hat und eine Strategie, sich zu holen, was er braucht.

Und ich bemühe mich, verstärkt Kontakt mit meinen Freunden aufrecht zu erhalten, die ich gerade mehr brauche, denn je, denn irgendwo muss ich meinen Dampf ablassen.

Und nun ist mein Sohn dran, der mir etwas vorlesen möchte. Meine Pause ist vorbei.