Freitag, 30. Oktober 2015

Wie ein freier Tag bei mir aussieht

Naja, so wirklich ein freier Tag war es nicht, aber es ist ein Tag, an dem ich nichts für die Uni gemacht habe.

So etwas muss ich jedoch immer erst mit mir ausdiskutieren:

Kann ich mir das wirklich leisten? - Nein, im Moment kann es gar nicht schnell genug weitergehen.

Brauche ich das? - Ja! Ich habe seit Montag jeden Tag gut 12 Stunden gearbeitet (Arbeit = Zeug für die Uni + Haushalt + Kind versorgen. Netto-Schreibtischzeit belief sich aber bestimmt auch immer zwischen 8 und 10 Stündchen, ohne Däumchen drehen): Zwischen Dienstag und Donnerstag einen Blog und einen Twitteraccount ins Leben gerufen, diverse Anschreiben verfasst und mit verschiedenen Personen Kontakt aufgenommen, Testläufe mit meinem Fragebogen durchgeführt und viele Stunden mit Gesprächen verbracht, um familiäre Dinge und Sachen in Bezug auf meinen Jungen abzuklären. Ich habe pro Nacht durchschnittlich unter sechs Stunden geschlafen, mein Sohn kam an drei Nächten davon nachts zu mir ins Bett gekrabbelt, inklusive Rotznase, und heute Morgen zogen Kopfschmerzen an. Ganz ehrlich, als ich heute im Vorbeigehen mein Spiegelbild in einem Schaufenster sah, dachte ich mir nur: Shit!

Da tat der Entschluss richtig gut, heute einen Bogen um den Schreibtisch zu machen: Erst mal in Ruhe einkaufen gehen und auch dem Zuhause wieder mal ein wenig Aufmerksamkeit schenken, in Form einer Runde mit dem Staubsauger zum Beispiel - oder, den Wäscheständer, auf dem die Klamotten mittlerweile schon fast knusprig getrocknet sind, endlich mal abräumen und für ca. zwei Tage in seine Ecke stellen.

Und nun steht ja Halloween vor der Tür. Endlich der Leidenschaft für das Makabre, Skurrile und Gruselige frönen! Jedes Jahr ist die Vorfreude darauf ab etwa August groß - und jedes Jahr passiert es, dass dieser Tag to-tal plötzlich kommt! Ach - note to self - auf youtube nach Gruselgeräuschen suchen, das kommt gut, geht schnell und kostet nix.

Der Einkauf für das gruselige Familienessen, zu dem ich seit acht Jahren einlade, ist auf jeden Fall erledigt. Nahm etwas Zeit in Anspruch, da ich Einkäufe im großen Konsumtempel eher selten mache und mich dem entsprechend immer wieder mal staunend in irgendwelchen Gängen verliere. Zudem bin ich die 2,5 km hin und zurück zu Fuß gegangen, um mich mal wenigstens wieder ein bisschen zu bewegen, weil ich ansonsten ja eigentlich nur mit meinen vier Buchstaben auf einem Stuhl klebe.

Nächster Programmpunkt: Gesprächstermin. Zwei Stunden.

Danach: Fix in die Stadt, was erledigen.

Anschließend: Sohn im Hort einsammeln. Mit ihm kurz noch am Supermarkt vorbei, weil natürlich heute morgen doch etwas gefehlt hat. Dann endlich nach Hause.

Die wie-viel-bin-ich-heute-gelaufen-App sagt: 9,9 km.

Gegen Ende war es nur noch ein sich-durch-die-Arbeiten-des-restlichen-Tages-Schleppen. Um 18.30 Uhr ist die Verlockung groß, ins Bett zu kippen. Also setze ich mich aufs Sofa, um mich mit dem Schreiben eines Blogeintrags in Gang zu halten. Der Tag ist noch länger nicht vorbei...

Als ich aus dem Schlaf aufschrecke, weil Söhnchen ins Wohnzimmer platzt, ist es 19.30 Uhr. 

Der Körper holt sich, was er braucht.

Und die Seele geht auch nicht leer aus. Mein Kind kommt an, um... mir was vorzulesen! Ich platze vor Stolz!




Donnerstag, 29. Oktober 2015

Und gezwitschert wird auch.

Was für ein Tag. Vor 48 Stunden hatte ich noch nicht mal einen Blog. Und jetzt habe ich nicht nur das, sondern auch einen Twitteraccount.

Ich bin ja nicht gerade der schüchternste Mensch, aber so kopfüber in einen öffentlichen Raum, das ist schon... nun ja. Ein ziemlicher Schritt, würde ich sagen.
Bisher habe ich social media nur sehr eingeschränkt genutzt. Meine facebook-Freundesliste wird regelmäßig geleert - selten bleibt mal jemand darauf, mit dem ich nichts (mehr) zu tun habe, viele der übrigen sehen nur ein eingeschränktes Profil. Aktuell habe ich 60 facebook-Freunde - und selbst das ist mir noch zu viel.

Aber nun sehe ich es eigentlich als eine ganz gute Gelegenheit, mich mal ein bisschen hinaus zu trauen.

Und irgendwie macht es auch Spaß! Ich schreibe ja gern und es hilft mir ein bisschen, aus dem Quark zu kommen. Die Arbeit hat sich durch diese Programmiererei so fürchterlich hingezogen und nun muss ich endlich mal auf die Tube drücken.



Es geht was!

Meine Arbeit ist ja nun in einer entscheidenden Phase: Der Rekrutierung. Wer mit dem Wort in diesem Zusammenhang nicht so vertraut ist:

So romantisch klingt es, wenn man Leute sucht, die sich im Dienste der Wissenschaft als Teilnehmerinnen (Probandinnen) zur Verfügung stellen.

Gar nicht so leicht! Bei meiner Bachelorarbeit - da hatte ich ein Thema aus dem klinischen Bereich, nämlich Essstörungen - arbeitete ich ebenfalls mit einem online-Fragebogen, der ähnlich umfangreich war, wie der, der nun kommen wird. Am Ende hatte ich sage und schreibe einen Datensatz von 386 Frauen! Ich wäre fast vom Stuhl gekippt, das war besser, als ich es mir je erträumt hätte!

Aber auch die musste ich erst mal erreichen und das gelang mir überwiegend über Internet-Foren, aber auch über einen Blog und wenige facebook-Gruppen.

Facebook wollte ich diesmal auch nutzen und fiel damit böse - ganz böse - auf die Nase. Nicht nur, dass mir mein Name, den ich in einem extra zu diesem Zweck angelegten Klarnamen-Profil zeigen wollte, von facebook (!) nicht abgekauft wurde. So nach dem Motto: "King" - haben wir nicht! Also eben auf eine übersetzte Variante zurückgegriffen. Meinen Ausweis einzuscannen war mir dann doch ein bisschen zu blöd.

Ich war auch so intelligent, sofort nach meiner Anmeldung gleich ganz, ganz viele Gruppen anzuklicken, und das kam facebook dann wohl ein klein wenig verdächtig vor. Ergebnis: Profil gesperrt.

Bei einigen Gruppen hatte ich vorher schon Nachrichten an die Admins verschickt und bekam meist direkt eine Absage, mal mehr, mal weniger höflich. Interessant war die, die mir ein Mann schickte, den ich gar nicht angeschrieben hatte: Viel Aggression, wenig Satzzeichen. Und wenn die wenigen, die mich  unterstützt hätten, mir gestatteten, in der Gruppe zu posten - konnte ich nicht mehr, weil ich gesperrt war. Macht natürlich einen super-vertrauenserweckenden Eindruck.

Ich bin ja ein ziemliches Sensibelchen und war erst mal total verschreckt, es folgten zwei Stunden Weltschmerz ob der grausamen und gemeinen Menschheit und am nächsten Tag ging es weiter mit der Suche. Ohne facebook, ohne Weltschmerz und mit wiedergewonnener Courage - nur auf der Hut, um Menschen voller Aggression und Misstrauen tunlichst und möglichst elegant zu umschiffen.

Da stolperte ich über Dr. Alexandra Widmers Website www.starkundalleinerziehend.de. Cool, dachte ich mir. Eine Frau, die sowas auf die Beine stellt, ist bestimmt mindestens ansprechbar, noch besser interessiert und bestenfalls bereit, mich zu unterstützen. Und schon war die Mail an sie draußen.

Parallel hatte ich Kontakt mit der lieben Uta Tanzer, die zusammen mit Sabrina Sailer www.vereinbarkeitsblog.de mit Leben füllt und mir anbot, meine Umfrage unter die Leute zu bringen. Kurz mit Uta gechattet - schwupp, kam mittendrin die Antwort von Alexandra und am selben Abend telefonierten wir beide miteinander, tauschten uns aus und machten einen Plan.

Dabei einstand die Idee mit dem Blog.

Heute schrieb ich noch ein paar Bloggerinnen an und von Dr. Christine Finke (www.mama-arbeitet.de) hatte ich nach - 10 Minuten?! - schon die nächste Zusage.

Ich LIEBE sowas! :-)

Gerade verfasse ich mein Anschreiben an verschiedene online-Redaktionen, später kommen die Foren dran. Es ist jetzt kurz vor 14.00 Uhr und seit 8.00 Uhr geht es hier am Schreibtisch rund. Langsam raucht mir der Kopf. Auf der nicht vorhandenen To-Do-Liste steht noch, dass ich Twitter mal ausprobieren muss, aber noch wichtiger sind Testläufe mit meinem Fragebogen. Bei Gelegenheit schreibe ich mal was darüber, was für ein Nervenkrieg das Programmieren einer online-Befragung mit zigtausend Filtern bedeutet. Schließlich sollen meine Teilnehmerinnen ja keine Fragen vorgelegt bekommen, die für sie nicht relevant sind - wenn eine Frau beim Familienstand anklickt, dass sie ledig ist, frage ich ja nicht, wann sie geschieden wurde... nur ein Beispiel.

Aber vielleicht jetzt erst mal was warmes zu trinken (...etwas Warmes zu trinken? ...etwas warmes zu Trinken? Hm.). Und dann - so sagt man das ja: Schaumermal.







Mittwoch, 28. Oktober 2015

Das Projekt


Worum geht es?

Mit meiner Masterarbeit möchte ich mich einer Antwort auf viele Fragen annähern, die mich als Alleinerziehende ab einem bestimmten Zeitpunkt brennend interessierten.

Es geht um das Wohlbefinden von Müttern in verschiedenen Lebens- und Beziehungsformen und was zu Ihrem Wohlbefinden beiträgt. Mich interessieren ihre Belastungen, chronischer Stress, empfangene Unterstützung und auch, welchen Beitrag der Partner - auch ein möglicher neuer Partner! - dazu leistet, dass es Frauen mit Kindern gut geht.

Wer kann mir helfen?

Im Grunde kann mir jede Frau helfen, die Kinder zu Hause hat. Dabei ist es ganz egal, ob sie verheiratet ist oder Single oder ob sie einen neuen Partner hat, mit dem sie zusammenlebt - oder nicht! Es dürfen auch ganz frisch Verliebte mitmachen!

Gibt es eine Aufwandsentschädigung?

Eine Aufwandsentschädigung für alle kann ich leider nicht anbieten - da ich niemanden habe, der mich finanziert oder sponsort, kommen alle Aufwendungen aus meiner eigenen Tasche.

Aber natürlich möchte ich mich bei Euch erkenntlich zeigen und verlose im Zuge meiner Datenerhebung amazon-Gutscheine, zwei Stück über € 25.-, drei über € 10.-.

Was aber jede Teilnehmerin bekommen kann, ist ein kleiner Ergebnisbericht - damit Ihr am Ende auch wisst, was meine Fragestellung eigentlich genau war und was dabei herausgekommen ist. Vielleicht könnt Ihr daraus ja auch ein paar Anregungen entnehmen, was Euch selbst gut tun würde und in welchen Bereichen ihr ansetzen könnt, um Eure Situation zu verbessern. Letzten Endes bekommt Ihr hoffentlich zumindest ein Bild davon, wie ihr im Vergleich zu anderen Müttern lebt - in Punkto Stress und Hilfe von anderen zum Beispiel.

Last but not least könnt Ihr auch hier nachlesen, wie die Arbeit so läuft - ob ich mich fühle, wie Superwoman, weil ich einen Meilenstein hinter mich gebracht habe, oder ob ich gerade total am Durchdrehen bin. Gerade Letzteres hat, wenn man meinen Freunden glauben schenkt, wohl einen ziemlichen Unterhaltungswert. :-D

Was kommt auf die Teilnehmerinnen zu?

Meine Fragen kommen ganz bequem über einen Link im Webbrowser direkt auf den Bildschirm und die Teilnehmerin klickt ihre Antworten einfach an.

Da es sich um ein ziemlich umfangreiches Projekt handelt, sollte man ein bisschen Zeit einplanen: 20 Minuten sollten es mindestens sein, noch besser 30, damit man sich die Fragen in Ruhe durchlesen und auch über die Antworten nachdenken kann.

Was passiert mit meinen Daten?

Die Umfrage ist garantiert 100%ig anonym. Ich erfrage keine persönlichen Daten, die meine Teilnehmerinnen identifizierbar machen würden. Lediglich Alter, Land, Schulabschluss, Ausbildung - die müssen einfach immer dabei sein.

Außerdem gebe ich den Datensatz natürlich nicht an andere weiter (wäre ja noch schöner!).

Man kann übrigens auch ein anonymes Fenster im Browser aufmachen, wenn man sich damit noch sicherer fühlt.

Wer am Gewinnspiel teilnehmen will und/oder einen Ergebnisbericht anfordern, der findet am Schluss der Befragung eine E-Mail-Adresse, unter der man mich anschreiben kann (muss nur "Gewinnspiel" und/oder "Ergebnisbericht" im Betreff stehen, dann ist alles klar!). Es ist nicht die Mailadresse, die zum Blog gehört - ich möchte Euch ja motivieren, bis zum Ende durchzuhalten.

Diese Adresse kann auch garantiert nicht mit Euren Antworten in Verbindung gebracht werden.

Noch Fragen? 

Ihr könnt mich gern unter mamamastermuedigkeit@googlemail.de anschreiben, ich werde die Fragen eine Weile sammeln und hier im Blog beantworten!

Und wo könnt Ihr loslegen?

HIER wird noch ein Link erscheinen, wenn die Umfrage startklar ist - spätestens Ende der ersten Novemberwoche!

Lasst es Euch gut gehen!
Sonja




Eine Geschichte über das Alleinsein und große Pläne

Wenn ich anderen Leuten von meiner Masterarbeit erzähle, ist die häufigste Reaktion so in etwa:

"Bist Du irre? Warum machst Du das?! Das ist ja 'ne Doktorarbeit!!! Hätte das nichts Einfacheres sein können?".

Jaaaa.... Hätte es. Aber das wäre mir zu langweilig: Ich liebe Herausforderungen!

Davon habe ich eigentlich genug. Seit etwas mehr als fünf Jahren bin ich alleinerziehend. Das läuft  allerdings (ausnahmsweise) nicht unter "Habe ich mir ausgesucht, weil mir alles andere zu langweilig wäre!" - nein, das war nun wirklich nicht geplant.

Relativ spät hatte ich im Herbst 2007 mein Studium aufgenommen. Der Entschluss dazu rührte daher, dass ich nach dem frühen Tod meines Vater verstand, dass das Leben zu kurz ist, um nicht wenigstens zu versuchen, meinen Traum zu verwirklichen - und dabei auch ein gewisses Risiko und Unannehmlichkeiten (vor allem finanzieller Natur) in Kauf zu nehmen.

Also begann ich das lang ersehnte Psychologiestudium (Ja, ich hätte mir vielleicht vorher überlegen sollen, in welchen Fächern ich das Abi schreibe. Am Ende hatte ich zwar das große Latinum, aber einen Schnitt, der nach "Wartesemster bis zur Rente" aussah... daher auch die "kleine" Verspätung). Ein paar Monate davor hatte ich mich neu verliebt und der Himmel hing voller Geigen.

Im Juni 2008 hielt ich dann einen positiven Schwangerschaftstest in der Hand.

Die existentielle Veränderung Mutter zu werden bedeutet glaube ich für jede Frau einen komplett neuen Anfang. Bei mir war im "Lieferumfang" ein völlig neues, mir absolut nicht vertrautes Betriebssystem enthalten -  ein "Dual Cor" (pun intended, das -e habe ich nicht verbummelt) -Prozessor brauchte Sonja 2.0. Wenn ich heute überlege, was mich als Person ausmacht, waren diese sechs Jahre wohl die prägendsten. Auch wenn ich durchaus aus meiner "ersten" Biografie, in der ich mit massiven Erschütterungen zurecht kommen musste, viele Lernerfahrungen mitgenommen hatte.

Sobald ich schwanger war, ging alles verdammt schnell:

Im August 2008 Umzug in eine größere Wohnung,
Eheschließung im Dezember,
Söhnchens Geburt im Februar 2009 (pünktlich zur Wirtschaftskrise),
im August Umzug in eine kleinere Wohnung mit Garten -
und im Mai 2010 die bittere Erkenntnis, dass meine Ehe eigentlich überhaupt keine Basis hatte.

Ein paar Monate versuchten wir es, aber im Grunde war es eine total hoffnungslose Sache - und im Oktober 2010 zog ich mit dem Kleinkind aus. Zu dem Zeitpunkt war ich auch nach anderthalb Jahren Pause wieder richtig ins Studium eingestiegen.

Es folgten vier Jahre, die ich "Exil" nenne. Die räumliche Nähe von Universität, Kinderkrippe und meiner Wohnung war essentiell, was mich auch aus finanziellen Gründen in ein Wohnviertel beförderte, wo ich völlig abgeschnitten zum Rest meiner Welt mit meinem Kleinen in einem Plattenbau mit 22 Etagen lebte. Hier stiegen die Leute mit Kippe in der Hand aus dem Aufzug aus, die Grünfläche um das Gebäude war eigentlich ein riesiger Aschenbecher und überall lagen Hundekacke, Plastikmüll und zerbrochene Glasflaschen herum. Die Wohnung war zwar schön geschnitten, aber die Fenster gingen bis auf eines nicht mehr auf und die Küche fiel auseinander. Sozialromantik, dachte ich mir - auch gut. Muss man auch mal erlebt haben.

In meinem Exil gehörte ich irgendwie nirgendwo richtig dazu - mit meinen Kommilitionen hatte ich wenig gemeinsam. Zehn Jahre Altersunterschied sind dabei nicht das größte Problem. Viel schwieriger ist es, einen Draht zu und Gemeinsamkeiten mit Leuten zu finden, die im Grunde noch Kinder sind, während man selbst ein Kind hat.

Außerdem war ich anfangs einfach erst einmal grundsätzlich angepisst, wenn jemand weniger Probleme hatte, als ich. Das ging ja gar nicht!

Und in der Gruppe der Eltern (in der Krippe, im Kindergarten) war ich - tatsächlich - immer die einzige Alleinerziehende. Und auch das ist ein Unterschied, den man nicht unterschätzen sollte. Paare machen etwas mit Paaren. Elternpaare machen kaum etwas mit Alleinerziehenden. An den Wochenenden wollen alle etwas mit der Familie unternehmen und nicht viele haben Lust darauf, sich mit einer Alleinerziehenden zusammenzusetzen, die frustriert, gestresst und gereizt ist und echt übel aussieht. Das gilt natürlich nicht für Paare, die man schon lange kennt und mit denen man lang befreundet ist - aber die waren bei mir ja in einer anderen Stadt, eine Stunde Fahrzeit mit den Öffis und jeweils über 8 Euro fürs Ticket entfernt.

In diesen vier Jahren gab es eigentlich nur zwei Dinge: Meinen Sohn und mein Studium. Der Junge war glücklicherweise immer in guten Einrichtungen untergebracht - zunächst in einer studentischen Kinderkrippe, wo man sich sehr liebevoll um ihn kümmerte - und später in einem Montessori-Kindergarten, den er heute noch vermisst, weil er in dieser kleinen Welt einfach total gut aufgehoben war.

Aber ich ging auf dem Zahnfleisch.

Ich hatte ständig Schmerzen und teilweise das Gefühl, nicht mal mehr die Kraft zum Sprechen zu haben. Teilweise ging mir tatsächlich auch meine Stimme flöten - los ging es im Winter 2011, da bekam ich dann Cortison und Sprechverbot. Sprechverbot! Mit einem zweieinhalbjährigen Kind!
Im Jahr 2012 musste ich nach einem beunruhigenden Krebsvorsorgebefund unters Messer und ab da wurde meine Verfassung immer schlechter. Nachts heulte ich in mein Kissen und war nur noch erschöpft. Den Winter darauf war ich fast drei Wochen am Stück auf Antibiose, weil mein Körper nicht mehr die Kraft hatte, die Streptokokkeninfektion, die mein Sohn aus dem Kindergarten mitbrachte, abzuwehren. Und mein Hormonsystem ist dann mal so richtig ausgestiegen.

Ich hatte das riesige Glück, dass das kleine bisschen Verwandtschaft, das ich habe - meine Mutter, mittlerweile 72 Jahre alt, meine Cousine und ihr Mann - mich nach Kräften unterstützten und nach wie vor immer hilfsbereit sind. Wenn ich jemanden brauchte, der wegen einer späten Lehrveranstaltung den Jungen aus der Betreuung abholte, hatte ich immer jemanden. Und die Zeit arbeitet ja für einen: Ab einem gewissen Alter konnte der Kleine auch mal übers Wochenende zu seiner geliebten Omi und ich hatte Zeit für mich. Ab und an kümmert sich auch der Papa, der uns ansonsten dankens- und anerkennenswerter Weise finanziell weit über seine Verpflichtungen hinaus unterstützt.

Die Zeit ohne Sohn nutzte ich allerdings nicht, um mich zu erholen, sondern butterte alle Energie in mein Studium, in Klausurvorbereitung, Referate, Hausarbeiten und 2013 meine Bachelorarbeit.

Danach war ich so fertig, dass meine Krankenkasse meinen Antrag auf Kur nicht einmal eine Woche, nachdem ich ihn eingereicht hatte, genehmigte. Im September 2013 ging es auf Mutter-Kind-Kur in Richtung Sylt, wo mich dann die Zusage für meinen Masterplatz -  Semesterbeginn: Oktober 2013 - erreichte. Mit einem Schnitt von 1,7 im Bachelor war ich gerade noch so mit hineingerutscht.

Im August 2014 zog ich mit meinem Sohn wieder zurück in meine Heimatstadt - er war groß genug, dass ich ruhigen Gewissens auch pendeln konnte und mein Netzwerk hatte sich super etabliert.

Dass es mir hier besser gehen würde, war mir schon klar gewesen - wie sehr, das kann ich heute beurteilen. Ich hatte seit meinem Umzug vor knapp 15 Monaten nur einmal einen Infekt, der mich zum Arzt führte. Mein Schmerztablettenkonsum hat sich auf "gelegentlich" eingependelt, weil meine Verspannungen wesentlich besser wurden und ich bin zwar immer noch nicht der kontaktfreudigste Mensch (als jemand, der von seinem 19. bis zum 30. Lebensjahr allein gelebt hat, zähle ich wohl zu dem, was man als "Eigenbrötler" bezeichnet), aber die Menschen, die mir etwas bedeuten, sehe ich regelmäßig und habe mehrmals die Woche abends Besuch von lieben Freunden.

Ich bin wieder offener geworden, im Kontakt mit mir selbst und habe meine Gefühle im Blick. Ich gehe meistens gut gelaunt durch die Welt, gebe regelmäßig was ab an Leute, die weniger haben und nehme den Fuß vom Gas. Ich habe Pläne, Visionen und kann mich selbst mit Humor nehmen (und meinen Sohn - eine Strategie, die Leben rettet...). Und ich bin platt, was ich alles geschafft habe - damit meine ich nicht mein Studium, sondern meine persönliche Entwicklung.

Das Studium ist nun in seiner letzten und spannendsten Phase. Ich habe mich entschlossen, eine der Fragen, die mich selbst als Alleinerziehende bewegt haben, zum Thema meiner Masterarbeit zu machen. Was für ein Luxus! Ein eigenes Anliegen, eine Frage, die mich ganz persönlich und privat interessiert, mit wissenschaftlichen Mitteln zu beantworten - für mich ein Traum!

Gestern Abend hatte ich ein spannendes und für mich äußerst fruchtbares Gespräch mit Dr. Alexandra Widmer (www.starkundalleinerziehend.de), die ich kontaktierte, weil ich Sie gerne um Unterstützung bei der Rekrutierung meiner Stichprobe bitten wollte. Dabei wurde mir auch klar, dass meine persönliche Geschichte hier eine wichtige Rolle spielt - und ich als Person.

So kam mir die Idee mit dem Blog - die Idee, mich in dieser Phase mitzuteilen, diese anstrengende, letzte Phase im Studium (vor der Doktorarbeit, das wäre der nächste Schritt) - je nachdem, wie meine Zeit es zulässt - zu dokumentieren und meinen Alltag, meine Gedanken, Hochs und Tiefs mit anderen zu teilen, die so eine Art von "Krimi" vielleicht interessiert.

Ein weiteres Anliegen ist, auf diesem Weg andere Alleinerziehende zu erreichen, um mich bei meiner Masterarbeit zu unterstützen und meine Befragung mitzumachen. Zu dieser werde ich gleich im nächsten Beitrag etwas schreiben: "Das Projekt".