Montag, 12. September 2016

Post-hoc

Es. Ist. Vorbei.
Also - mein Studentenleben.

Am 2.9. gab ich gegen 9.30 Uhr meine 117 Seiten dicke Masterarbeit auf dem Prüfungsamt ab. Und statt metaphorischem Glockengebimmel gab es jede Menge Geheule von meiner Seite und das nicht vor Glück, sondern weil ich auch mein Nebenfach eintüten wollte, dazu eine kleine Formalität fehlte und ich mit dem entsprechendem Lehrstuhl die Erfahrung gemacht hatte, dass man auf einen Schein mal gut ein Vierteljahr wartet - und, weil mein Sohn aus organisatorischen Gründen für eine Übergangszeit in einen anderen Hort am Gluteus Maximus der Welt verfrachtet wurde (obwohl im Ersatzhort über die Straße gleich drei Plätze unbelegt waren!) und die Hortleitung meine tausend guten Gründe, warum das für uns mega-besch***** ist, mit dem Argument, es sei doch eine Entwicklungsmöglichkeit für meinen Sohn wegargumentiert hat - am Telefon, während ich an der Uni meinem Schein hinterherrannte und nur noch ins Telefon gebellt habe, dass mein Sohn keine Entwicklungsmöglichkeiten braucht, sondern einfach mal ein wenig Konstanz und weniger Hort-Zeit, was unter den Umständen für mich nur schwer zu machen ist. (Und ich habe diesen langen Satz so lange stehen lassen, weil sich die Flut an blöden Neuigkeiten an diesem Tag genau so angefühlt hat, wie ein Schlangensatz, der gnadenlos auf mich einprasselte.)

Vor 12 Uhr mittags hatte ich also am 2.9. zweimal geheult. Was ich danach machte, weiß ich gar nicht mehr - am Tag danach stieg ich um 8 Uhr in den Zug nach München und flog von dort aus nach Pisa, wo ich zum ersten Mal nach 7 Jahren zum ersten Mal richtig Urlaub machte. Als ich aus dem Flieger ausstieg und mich die heiße, trockene Luft mit voller Wucht traf, heulte ich gleich wieder fast los - vor Glück und Erleichterung und ausnahmsweise mal nicht aus Angst, was eigentlich danach alles kommt...

Die Woche Urlaub hat mir gut getan. Das letzte halbe Jahr (okay - die letzten anderthalb Jahre...) war/-en einfach verrückt, anstrengend, erschöpfend, aufwühlend, aufregend und auch ein bisschen beängstigend. Ich saß so viele Stunden an meinem pseudo-Schreibtisch (ein Esstisch mit vier Holzstühlen) und habe mir mit meiner beknackten Sitzhaltung vor allem mein Knie hergerichtet, da ich meinen Fuß immer ganz verdreht auf einem Querbalken im Stuhl geparkt hatte. Ich kam tagelang - außer zu meinem Job - gar nicht vor die Tür. Die letzten Wochen habe ich nur Fast Food gegessen und dabei vielleicht nicht unbedingt 10, aber so ca. 9.9 kg zugenommen, vermute ich.

In der Woche Urlaub habe ich dann fast 70 km zu Fuß zurückgelegt, ca. 20 Kugeln Gelato und drei Pizzen gegessen, einige Nächte 9-10 Stunden geschlafen, ein Buch gelesen und war - entgegen meiner Gewohnheiten - sogar einen Tag am und *im* Meer, mit meinem Sohn, und wir sind geschwommen und haben so richtig im Sand herumgematscht. Ich habe mich in den kleinen Gassen von Pisa herumgedrückt, Häuserfassaden mit abgeplatzer Farbe, Grafittis und anderer "Dekoration", vor Fenstern hängende Wäsche, umgekippte Fahrräder, andere Touristen, die sich für ihre Urlaubsfotos aufs Skurrilste vor dem schiefen Turm verrenkten und kleine Geschäfte fotografiert und mein rudimentäres Italienisch an Eisverkäufern und Buchladenbesitzern ausprobiert.

Gleichzeitig veruchte ich zu verdrängen, dass ich keinen Plan hatte, wie es ab November mit mir weitergeht, da meine klitzekleine Mini-Stelle bis zum 31.10. befristet ist - bzw. war, denn heute habe ich erfahren, dass ich nochmal ein Jahr dranhängen darf. Und wenn alles gut geht, darf ich ab Frühjahr so "richtig" forschen - in meinem eigentlichen Themenschwerpunkt, bezahlt, und nicht nur klitzeklein. Hoffentlich. Um das zu erreichen, habe ich mich bereits während ich meine Masterarbeit schrieb, parallel dazu mit einem komplett anderen Thema beschäftigt und ich muss sagen, dass das gar nicht so einfach ist und kognitiv wirklich wahnsinnig anstrengend.

Zudem war mein Privatleben im letzten halben Jahr alles andere als erfreulich und die eine oder andere Niederlage/Enttäuschung/Ernüchterung musste verdaut werden, vor allem, weil nicht ich allein die Leidtragende, sondern auch mein Sohn ziemlich mitgenommen war und auch nach wie vor daran zu knabbern hat.

Meine Masterarbeit ist nun bei meiner Betreuerin zur Korrektur. Auf die Note bin ich schon sehr gespannt; momentan ist mein Schnitt eigentlich sehr ordentlich und ich denke, das wird auch so bleiben. Für die Arbeit selbst habe ich nur einen Bruchteil der Daten, die ich erhoben habe, ausgewertet und sitze nun auf einem richtigen "Schatz" weiterer Daten, mit denen ich noch viel anstellen kann, wenn ich Zeit dazu finde. Ich habe von mehreren Seiten gehört, dass ich meine Ergebnisse unbedingt veröffentlichen soll und wenn ich weiß, wie meine Betreuerin die Arbeit findet, werde ich darüber nachdenken. Das Ganze in den Schubladen versanden zu lassen wäre extrem schade, vor allem, weil ich im Grunde alle Hypothesen bestätigen konnte und da, wo die Ergebnisse anders ausfielen als erwartet, doch ein paar interessante Schlussfolgerungen gezogen werden können.

Meine Ergebnisse werde ich auch hier im Blog zusammenfassen und danach auch vier der fünf versprochenen Gutscheine verlosen - einen habe ich meiner allerersten Studienteilnehmerin zukommen lassen. Weihnachten wird ein guter Zeitpunkt sein, vier Müttern eine kleine Freude zu machen.

Und dann hat der Blog auch seinen Zweck erfüllt und Mama ist Master.

Mittwoch, 13. Juli 2016

Survival Trip

Der letzte Monat läuft an. Und diesmal ist es wirklich der letzte! Vor etwa einem halben Jahr schrieb ich ein Posting über die minutiöse Planung in Phasen, die von extremer Überlastung geprägt sind - damals wusste ich noch nicht, dass meine Arbeit viel länger dauern würde als geplant. Das halbe Jahr mehr hat mich tatsächlich gerettet und trotzdem wird es zum Ende hin einfach eng. Und - wie könnte es anders sein - gerade nun funken mir noch andere Aufgaben dazwischen, die mich für eine komplette Woche lahm legen, was das Ganze zunehmend ungemütlich macht. Und dann ist da ja noch der Job, in den ich mich zugegebenermaßen ziemlich hineinknie und in dem einfach genau so viel Herzblut drinsteckt, wie in meinem Alleinerziehendenprojekt.

Wie wichtig letzteres ist, wird mir tagtäglich klar, wenn ich in den sozialen Medien diverse Beiträge von den beiden von mir sehr geschätzten und sehr engagierten Frauen - Alexandra Widmer, die gerade ihr (mit Sicherheit absolut lesenswertes - ich freue mich extrem darauf!)  Buch auf den Markt gebracht hat und Christine Finke, die ebenfalls vor recht kurzer Zeit veröffentlich hat - lese. Beide sind auch immer wieder in den Medien vertreten wie heute erst - Christine Finke war auf Deutschlandradio Kultur zu hören, was auch noch einer meiner erklärten Lieblingssender ist. Ganz zu schweigen von der hochaktuellen Bertelsmannstudie. Aber auch der vereinbarkeitsblog oder "Mutterseelenalleinerziehend" und nicht zuletzt Rona Duwe (alle sind hier im Blog verlinkt) - alle schrei(b)en hinaus, wie sehr es bei "uns" an allen Ecken und Enden brennt.

Oh ja, und bei mir brennt es gerade ganz besonders. Ich merke, wie mein Nervenkostüm gerade äußerst dünn ist und fahre viel schneller aus der Haut, als sonst. Mit meiner Mutter hat es öfters mal gewaltig gekracht und auch mein Sohn merkt, dass Mamas Zündschnur gerade etwas verkürzt ist.

Umso wichtiger, immer wieder mal da, wo es geht, etwas für die Seele einzubauen, auch, wenn es schwer ist. Es darf halt keine Zeit kosten. Aber dann kommen Tage, die mich in die Erschöpfung treiben und das hat meist Gründe, die mit der Studie wenig zu tun haben. Die erwähnten Streitereien mit meiner Mutter, die aber gleichzeitig die einzige ist, auf die ich immer zählen kann, wenn es darum geht, sich mit mir um meinen Sohn zu kümmern. Ärgernisse, die den Vater betreffen, der wirklich ein ganz feiner Mensch ist und den ich nach wie vor nie böse sein könnte, der es  aber einfach nicht auf die Reihe bekommt, mir mit ein wenig Vorlaufzeit mitzuteilen, wann er den Jungen nimmt - erst recht die Ferien betreffend - und folglich, dass ich eine teure Ferienbetreuung buchen muss, um dann am 10. Juli die Umgangstermine für Juli (!) zu erfahren und auf mein Drängen hin dann auch, auf welche Augustwochen der Urlaub nun verlegt wurde... Für mich ein Graus, denn ich muss meine Planung - gerade, wenn die Arbeit am 15.8. ins Korrektorat gehen soll - viel früher machen! Tja, an dem Tag war ich dann also dank der neuen Informationen drei (!) Stunden damit beschäftigt, mit Papa und Oma die Betreuungszeiten zu planen. Muss ich erklären, was das mit meinem dünnen Nervenkostüm anrichtet?

Zusätzlich mache ich mir Gedanken um meinen Sohn, der sehr sensibel ist und meine Anspannung natürlich spürt. Aber noch mehr regt mich der Anruf seiner Lehrerin auf, weil er nicht alle (der acht Seiten!) Hausaufgaben gemacht hat. Sie sei ihm persönlich nachgelaufen, weil etwas im Heft gefehlt habe, und er habe es am nächsten Tag nicht erledigt - das habe sie enttäuscht. - Das Telefonat dauerte eine halbe Stunde. Am nächsten Tag schrieb ich einen Brief an sie, dass ich beschlossen hätte, dass der Junge nun nichts mehr machen müsse, was über eine halbe Stunde Arbeit hinausgehe. Habe ich beschlossen - Tipp einer Mama aus der Parallelklasse. Meinem Sohn mache ich vor den Ferien keinen Druck mehr!

Ganz nebenher laufen im Job diverse Baustellen, die vor allem damit zu tun haben, dass meine Stelle in dem laufenden Projekt bis Ende Oktober befristet ist und ich gerne dran bleiben würde, bis klar ist, ob ein großes Projekt, in dem ich promovieren könnte, finanziert wird. Es stand ein langer Termin an - für mich sehr wichtig, sehr offiziell - und ich totales Frischfleisch. Plötzlich sitze ich an einem großen Tisch mit Menschen aus einer Liga, die mir völlig neu ist. Und auch wenn ich nicht gerade schüchtern bin - im Gegenteil - fühle ich mich bei jedem Wort, das aus mir heraussprudelt, völlig unsicher. Nach drei Stunden war ich dann völlig erschöpft, aber scheinbar war mein Beitrag nicht schlecht - ich habe am Montag als allererstes gefragt, ob ich in ein Fettnäpfchen gesprungen bin - kam die Rückmeldung, was ich gesagt habe, sei völlig in Ordnung gewesen. Nun gut. Immerhin.

Ab Dienstag habe ich dann anderthalb Wochen "Urlaub" und knie mich in meine Masterarbeit, die dann hoffentlich bald fertig ist. Bis dahin werden alle Haushaltsaktivitäten inklusive Kochen bis auf ein Minimum reduziert. Ich habe vor der Tür drei türkische, drei asiatische und einen arabischen Takeaway, einen Griechen, zwei Pizzadienste - ganz zu schweigen davon, dass ich diese online-Lieferdienste schon immer mal testen wollte. Wenn ich nachts aufwache und nicht schlafen kann, stehe ich umgehend auf und sitze notfalls um 3.15 Uhr schon an der Arbeit, um abends mit Söhnchen ins Bett zu plumpsen. Der wiederum belagert mich nachts fast rund um die Uhr, was mir zeigt, dass er echten Nachholbedarf hat und eine Strategie, sich zu holen, was er braucht.

Und ich bemühe mich, verstärkt Kontakt mit meinen Freunden aufrecht zu erhalten, die ich gerade mehr brauche, denn je, denn irgendwo muss ich meinen Dampf ablassen.

Und nun ist mein Sohn dran, der mir etwas vorlesen möchte. Meine Pause ist vorbei. 


Montag, 13. Juni 2016

Chances of repartnering after relationship breakdown

Es ist Montag, 4.40 Uhr und ich bin wach. Noch. Und ich werde es auch bleiben. Spätestens, wenn die Vögel anfangen zu zwitschern, komme ich an den Punkt, an dem mir klar wird, dass die Nacht gelaufen ist. Und es ist die zweite Nacht dieser Art innerhalb von nicht einmal zwei Wochen - kein gutes Zeichen.

Unter das Gezwitscher der Vögel mischt sich der Regen draußen und das leise Geschnarche meines Sohnes drinnen. Ich hatte ja gehofft, er würde diese Nacht mir mein Bett mal allein überlassen; immerhin ist er in seinem Zimmer eingeschlafen. Aber just in dem Moment, als ich mich hineinschlich, bevor ich schlafen gehen wollte, war er scheinbar gerade aufgewacht und ergriff die Gelegenheit beim Schopf, gleich überzusiedeln.

Was genau mir den Schlaf raubt, kann ich nicht sagen. Es wird wohl einiges zusammenkommen. In den letzten Wochen ist viel passiert. Das wiederum verursacht wohl auch die Anhänglichkeit meines Sohnes.

Ich habe ja schon darüber erzählt, welche Gedanken zu meiner Masterarbeit geführt haben. Vor zwei Jahren habe ich angefangen, darüber nachzudenken und aktuell schreibe ich an meinem theoretischen Hintergrund.

Da geht es ganz viel um Belastung - Belastungen alleinerziehender Mütter, welche vor allem aus einer Art Teufelskreis aus Armutsrisiko, sozialer Isolation, Arbeitslosigkeit oder -überlastung und den Folgen einer Scheidung - wirtschaftlich und sozial in Form von Konflikten - resultieren. Dann geht es um das erhöhte Risiko psychischer und körperlicher Folgen. Um die Notwendigkeit von Unterstützung und um das riesengroße Unterstützungspotential von Partnerschaften - allgemein, auch ohne Belastung, aber erst recht in großen Belastungssituationen. Und dann um die Perspektiven von Alleinerziehenden in Punkto neue Partnerschaft.

Ganz ehrlich - wenn ich gewusst hätte, was da auf mich zukommt, hätte ich das Thema nicht gewählt. In den ersten Jahren meiner Zeit allein mit Kind ging es mir zwar nicht gut, aber ich habe nicht zugelassen, dass es mich komplett runterzog. Ich habe einfach die Ärmel hochgekrempelt und gekämpft. Ich habe mich einfach geweigert, mich als Alleinerziehende zu akzeptieren. Alleinerziehend, das war ein Begriff, sonst nichts. Was mich getragen hat, war der unmittelbar nach meinem Auszug entstandene Plan, es beruflich so richtig krachen zu lassen und eine hammermäßig fette wissenschaftliche Karriere hinzulegen. Na gut, so richtig wird das mit Mitte/Ende dreißig nichts mehr mit der fetten Karriere. Aber irgendwie würde ich uns schon zumindest aus der finanziellen Misere herausmanövrieren, sodass wir wenigstens ein drittes Zimmer haben könnten und mal in Urlaub fahren. Ich wollte nie, nie mehr in die Situation kommen, wirtschaftlich abhängig zu sein, wenn ich es mal aus der Abhängigkeit herausgeschafft hätte. Ich wollte Sorge tragen, dass ich es notfalls immer ohne Partner schaffen würde, meinem Kind beste Voraussetzungen zu schaffen, ihm ein Vorbild sein und ein bisschen was von der Welt zeigen. Diese Phantasie hat mich über die ersten Jahre hinweg gerettet. Sonja wird die Superheldin und ein neuer Partner würde sowieso nur das i-Tüpfelchen - vermutlich hat das auch dafür gesorgt, dass mein Bild von Partnerschaft erst mal ganz schön schräg war und erst mal gerade gebogen werden musste.

Meine Motivation, mich in die Arbeit zu stürzen, dabei für meinen Sohn alles zu sein und die Bedürfnisse meiner Seele hinten an zu stellen haben mich nach zwei Jahren zum ersten Mal zusammenklappen lassen. Ich habe es in fast sechs Jahren immer noch nicht geschafft, mich um meinen total verkorksten Rücken zu kümmern und diese verfluchten 10, 15 Kilo loszuwerden, die mich einfach total ankeksen. Aber es hilft ja nichts. Augen zu und durch.

Die Folgen dieser langen Zeit alleine formen auch die Identität und die Voraussetzungen, mit denen man, wenn überhaupt, in neue Beziehungen hineingeht.

Ich habe nämlich mittlerweile auch die Erfahrung gemacht, dass man genau als das wahrgenommen wird: Als eine bewundernswerte Superfrau, mit der man sich gern umgibt - aber die so richtig ernsthaft als Partnerin nicht infrage kommt, da mein Plan ja die wissenschaftliche Karriere ist.

Wie um alles in der Welt kann man das eigentlich richtig machen? Auf dem "Markt" da draußen will sich immer jeder alle Möglichkeiten schön warm halten und sich ja nicht entscheiden müssen; möglichst lange die Chance haben, etwas besseres zu finden oder erst tausendprozentig sicher sein, dass nichts besseres mehr kommt.

Als Frau Ende 30 mit Kind ist man in den seltensten Fällen die beste Alternative. Es gibt meist jüngere, attraktivere und vor allem kinderlose Frauen - das zeigt leider auch die Statistik, wie ich mir in den letzten Tagen gehäuft reinziehen musste. "Chances of repartnering after relationship breakdown" und so. Frauen mit Kinder haben ein Problem und mit zunehmendem Alter sinken die Chancen.

Als vernünftige (endlich!) Frau weiß man sowas auch ohne sich das von empirischen Arbeiten unter die Nase reiben zu lassen. Und was macht man? Richtig. Wenn man alle Felle davonschwimmen sieht, bringt man zumindest sein eigenes kleines Schäfchen unter maximalem Kraftaufwand ins Trockene, wobei man jeden Tag Opfer bringt. Warum man das tut, verdrängt man natürlich! Man macht aus der Not eine Tugend und erfreut sich an seiner Arbeit und seinen Erfolgen und sagt sich, dass das Ziel es wert ist. Und schon hat man einen Ausweg aus dem Karasek-Modell, das besagt, dass bei hohen Anforderungen mit wenig Spielraum nichts Gutes dabei herauskommt, aber hohe Anforderungen und viel Spielraum pushen - und indem man sich sagt, man will es, hat man nicht nur mehr Spielraum, man hat ein ganzes Entwicklungs-Spielfeld, auf dem man sich austoben kann und ganz nebenbei die Perspektive: Bessere Qualifikation, bessere Chancen zu überleben.

Ich sage nicht, dass ich das ungern tue. Mir macht es tatsächlich Spaß. Aber es steht nicht über allem.

Und ich behaupte nun, dass das der Killerfaktor sein kann, der die Chancen für eine neue Partnerschaft noch zusätzlich reduziert. Ich sage bewusst nicht, dass es unmöglich wird, ich rede natürlich auch nur von Statistik, wie immer.

Trotzdem arbeitet es in mir und ich frage mich, wie man es als Frau in meiner Lage überhaupt "richtig" machen kann? Wobei ich nicht der Typ bin, der überhaupt versucht, etwas richtig zu machen. Ich kann nicht mehr, als mein Leben so führen, wie die Umstände es verlangen und versuchen, es auch alleine hinzukriegen, für den Fall, dass ich nicht das unheimlich große Glück habe, jemanden zu finden, der da mitgeht und den Rucksack auf meinem Rücken sieht. Er muss ihn mir nicht abnehmen, er muss ihn  nur wahrnehmen und verstehen, was er bedeutet. Und gut finden, dass ich ihn tragen kann. Und dann vielleicht ein bisschen was von dem Gewicht nach und nach zusammen mit mir herausnehmen, bis er leichter wird und ich damit tanzen kann.









Sonntag, 12. Juni 2016

Wie es zu meiner Masterarbeit kam

Seit ein paar Tagen habe ich so einen richtigen Schreibfluss. Das ist natürlich erfreulich; es geht etwas voran. Und ich gewinne wieder einen Bezug zu meinem Thema, nachdem ich nun Monate in der Matrix verbracht (Das klingt extrem cool, finde ich. Und es passt einfach zu dem ausschließlichen Denken in Variablen.) und nur Zahlen gesehen habe.

Als ich meine Probandinnen suchte, habe ich natürlich nicht immer ganz offen gelegt, worum es geht. Das möchte ich nun nachholen.

Und weil ich in den letzten Tagen mich entschieden habe, dass ich mit dem Abschluss meiner Arbeit meinen Blog auch tatsächlich beenden werde, möchte ich zum Schluss etwas tun, das ich nicht unbedingt vorhatte, nämlich wirklich persönlich über mein Thema zu erzählen. Wie es dazu kam und wie ich nun, fast zwei Jahre nach meiner Idee, darüber denke.

Das Ganze beginnt mit einem Moment, an den ich noch eine sehr genaue Erinnerung habe. Ich stand in meinem Wohnzimmer in der Erlanger Wohnung und ich glaube, ich stand mit dem Blick zu dem schlimmsten Fenster in der ganzen Wohnung; dem, das sich (wie fast alle außer ein Küchenfenster) nicht mehr öffnen ließ und blöderweise auch nicht über einen Balkon zugänglich war, sodass man es von außen nicht mehr putzen konnte. Ich hatte es mit einem Dekostoff abgehängt, weil der Anblick selbst mir als jemand, der seine Fenster ca. nur zweimal im Jahr putzt, zu hart war.

Ich erinnere mich, wie sich in meinem Kopf die Worte formten "Ich bin hier total isoliert." und im selben Moment "Ich bin lebendig begraben.". Die Erkenntnis war ein Schock. Sehr lang hatte ich es verdrängt und plötzlich wurde ich mir meiner unglaublichen Misere bewusst.

In dem Moment krachte irgendwie alles über mir zusammen. Und mir wurde klar, dass ich etwas tun musste.

Der Wunsch nach einer Partnerschaft ist glaube ich bei den meisten alleinstehenden Menschen immer ein Thema. Um zu wissen, dass dieser Wunsch auch einen guten Grund hat, braucht man auch kein Psychologiestudium. Selbst als sehr überlebensfähiger Mensch, der zudem auch noch Zeit für sich braucht und nun schon über sein halbes Leben allein lebt (das Kind zähle ich hier mal nicht mit) fühle ich mich schutz- und rastlos, solange ich den Menschen, der mich ergänzt, nicht gefunden habe.

Nach vielen Niederlagen und Enttäuschungen, gekrönt vom Scheitern meiner kurzen Ehe, wusste ich allerdings nicht mehr, wo mir der Kopf stand. Ich war völlig durcheinander und desillusioniert. Hatte ich sowieso nie von der Nummer mit dem Märchenprinzen auf dem weißen Pferd und der romantischen Hochzeit in Weiß geträumt, hatte ich folglich nach dem Ehe-Aus erst einmal das kleine bisschen Rest-Romantik, das vermutlich auch irgendwo in mir schlummert, gna-den-los vom Tisch gewischt.

In dem Fall wäre es natürlich am besten, das Thema erst einmal ruhen zu lassen. Und trotzdem bin ich natürlich auch ein Mensch mit Bedürfnissen und Sehnsüchten - und WELTmeisterin darin, das vor mir selbst zu verleugnen. Also - nicht die Tatsache, dass eine Partnerschaft schon irgendwie nett wäre natürlich. Aber ich ging das alles erst einmal nüchtern an.

Wenn man nun gefühlt am A**** der Welt sitzt mit einem Kleinkind daheim, in einer Studentenstadt, in der die meisten Menschen aus dem alltäglichen Umfeld entweder zehn Jahre jünger und dazu weiblich sind oder ihre Familienidylle haben und man auch da nicht wirklich reingehört, man zudem auch noch chronisch abgebrannt ist, bleibt da natürlich nicht viel, außer die kostenlos zugänglichen Datingportale.

Ich will diese Portale gar nicht schlecht reden. Man lernt nach einiger Zeit, damit umzugehen. Und tatsächlich trifft man da auch spannende Menschen - ich habe dort sogar Männer kennengelernt, mit denen ich bis heute noch Kontakt habe. Einen davon möchte ich, auch wenn wir uns selten hören und noch seltener sehen, nicht mehr missen, weil er sich wirklich wie ein langer, vertrauter Freund anfühlt und wir auf einer sehr tiefen Ebene miteinander sprechen können. Mehr ist da halt nicht - aber auch nicht weniger.

Nach einiger Zeit wurde mir aber ein weiterer "Nutzen" klar: Meist wird man auf solchen Portalen dazu angehalten, sich zu beschreiben und auch anzugeben, was man eigentlich sucht. Und ich bin Meisterin im Ausfüllen von Profilseiten. Pah, was heißt eigentlich Profilseiten - ich schreibe keine Profile, ich baue Biotope. Meine Profile leben, sie entwickeln sich und verändern sich auch mit jeder Erfahrung, die ich mache. Wie praktisch für die Selbstreflexion!

Die meisten meiner Erfahrungen machte ich schriftlich und beim Durchsehen der anderen Profile dort und schon das reichte mir, um mir immer klarer darüber zu werden, was ich nicht möchte. Tatsächlich aber habe ich auch auf diesem Weg Menschen besser kennengelernt. Auf wenige habe ich mich, mal mehr, mal weniger, aber immer mindestens ein bisschen, eingelassen und nachdem ich ja nun immer noch alleine bin, dürfte klar sein, dass auch all diese kleinen Versuche nicht ohne kleinere, manchmal auch größere Kratzer einhergingen. Die wiederum lehrten mich, was ich offenbar brauche, was ich will und wozu ich bereit bin. All dies war irgendwie ständig im Wandel und das spiegelte sich in dem, was ich dort schrieb und löschte und hinzufügte und änderte..... kurzum: Ich fand ganz ehrlich mein eigenes Profil auf diesen Seiten immer am interessantesten.

Diese Datingseiten haben aber auch hässliche, anstrengende, demütigende und verletzende Seiten. Schon das gesamte Procedere ist würdelos, es ist ein "meat market", eine Fleischbeschau, ein Menschen-Shoppen, ein ständiger Vergleich und manche Männer halten es offenbar für die preisgünstigere Variante zu käuflichem Sex. Als Frau kann man eigentlich noch so sehr darum kämpfen, als Person wahrgenommen zu werden und noch so deutlich schreiben, dass man nichts von "casual Dating", Affären, "Friends with benefits" etc. hält (nicht, ohne das vorher auch gründlich in Erwägung gezogen zu haben!) - es wird ja meist nicht einmal gelesen. Und die Zuschriften, die man bekommt, von denen fange ich gar nicht erst an. Nur so viel: Komplette Sätze mit Satzzeichen, einem Gruß vorne und hinten - Fehlanzeige.

Trotz allem findet man wie gesagt manchmal eine Perle und selbst, wenn bislang nichts dabei herausgekommen ist - es ist ein relativ ökonomischer Weg, "unter Menschen" zu kommen. Und so schlug ich dort doch einige Abende meiner "Einzelhaft" tot und hatte eine Art on-off-Beziehung mit dem online-Dating - off, weil es mir schnell auch zu viel wurde und ich das doch überwiegend primitive Niveau nicht gut auf Dauer ertragen konnte und on, weil ich dachte, ich sei es mir schuldig, das Thema mit der neuen Partnerschaft noch nicht ganz abzuhaken - mit wenig Aufwand, ohne genau zu wissen, was ich will und was ich überhaupt noch bekomme und vor allem stets darum bemüht, mich und mein Herz zu schützen.

Und irgendwann fand ich mich in meinem Wohnzimmer, halb tot vor Einsamkeit. Voller Angst vor erneuten Niederlagen und Verletzungen, angewidert von den Lügen auf dem meat-market, von der Gefühllosigkeit, den der Distanz und dieser Dissoziation, die sich in mir eingeschlichen hatte. In der ganzen Zeit hatte mein Kopf zwar immer weiter gearbeitet bei der Analyse meiner do & don't-Liste - aber meine Gefühle hatte ich ganz, ganz weit weg geschoben.

Diese Erkenntnis, einsam zu sein, war für mich ein Schock. Und mir wurde klar, dass es nur einen Weg gibt, das zu beenden, nämlich mir wieder zu gestatten zu fühlen, zu brauchen, zu wünschen - und damit ein gewaltiges Risiko einzugehen. Und, mich damit auseinanderzusetzen, was Partnerschaft für mich bedeutet, denn irgendwie hatte ich immer noch gar kein richtiges Bild davon. Die Jahre waren nur so an mir vorbeigerauscht, ich hatte mich verändert. Als ich den Vater meines Sohnes kennenlernte, hörten wir noch Rage Against The Machine, Metallica und gingen bei The Cavalera Conspiracy ab wie Schmidts Katze. Dass ich da herausgewachsen bin, ist mir erst vor Kurzem klar geworden. Mittlerweile höre ich wieder (wie in meiner Jugend schon) gern Klassik und instrumentale Musik und habe mir vor einiger Zeit erst ganz viel Tango-, Flamenco- und Jazz heruntergeladen. Aber auch das ist ein anderes Thema.

So ähnlich war das mit dem Thema Partnerschaft auch, das heißt: Ich habe mich zum ersten Mal vor dem Hintergrund damit auseinandergesetzt, dass ich mich wirklich wieder einlassen muss und wie ich mir das so vorstelle. Ich habe gesehen, dass ich dafür als Frau, die sich auch weiterentwickelt hat, auf neues Terrain einlassen und meine vertraute Komfortzone verlassen müsste, indem ich mir eingestehe, was mir fehlt, wonach ich mich sehne und was ich auch brauche. Brauche, herrje!

Naja, und was macht man da als Wissenschaftlerin-to-be? Ganz genau. Erst mal abchecken, ob sich das alles überhaupt lohnt. Dem drohenden emotionalen Terrain erst mal ganz laut das erlernte Forschungshandwerk entgegensetzen und eine Art qualitative Kosten-Nutzen-Analyse machen.

Vor dem Hintergrund der Kosten - Partnersuche (sich weiterhin online mit ätzenden Kerlen herumschlagen), Zeitaufwand (Studium, Kind, was noch?!), Schutzwall herunterlassen (Hilfe!) - LOHNT es sich überhaupt? Wird es mir dann auch wirklich besser gehen oder ist es einfach nur eine zusätzliche Belastung, eine neue Partnerschaft aufzubauen, zu organisieren und auszuhandeln und zwar in einer Triade, nicht nur in einer Dyade?

Da spielen natürlich eine Menge Faktoren mit hinein, gar keine Frage. Ich habe mir dafür ein paar Punkte ausgesucht und mich dabei - ganz romantisch - an dem Prinzip von Prognoseinstrumenten aus der Straftäterbegutachtung orientiert: Ich wollte vor allem objektive Merkmale der Beziehung verwenden, das ist ja auch am praktischsten. Wie so eine Art Checkliste, um damit eine Prognose erstellen zu können. Eine Checkliste wird das natürlich nicht, aber ich hoffte, zumindest sagen zu können: Unter dieser und jener Bedingung tut ein neuer Freund einer maximal gestressten alleinerziehenden Frau tatsächlich auch so richtig gut.

Meine Theorie dazu werde ich beizeiten mal erklären. Aber nicht mehr heute.













Donnerstag, 2. Juni 2016

Feng Shui gegen das ... Moment. Das war ja was anderes.

Ich habe keine Ahnung, wo es hingekommen ist, dieses supertolle Buch über das Aufräumen. Ich bin eigentlich so gar kein Feng-Shui-Typ, aber "Feng Shui gegen das Gerümpel des Alltags" war ein absoluter Glücksgriff . Es ist bestimmt schon über 15 Jahre her, dass mir das Buch aus dem GU-Verlag, der ja für alles gute Ratschläge in bunt, bunter, am buntesten in Petto hat, in die Finger kam und aus irgendeinem Grund habe ich es gekauft. Die Autorin ist in Punkto Aufräumen so gründlich, dass sie sogar das Thema Darmreinigung auf das Allergründlichste erörtert - und auch, wenn ich letzteres tunlichst vermeide, habe ich zum Ausmisten seitdem ein fast ekstatisches Verhältnis. Und es kekst mich an, dass ich schon so lange nicht mehr  Zeit hatte, hier mal wieder klar Schiff zu machen und mich vor allem von unheimlich viel Baby- und Kinderzeug zu trennen, man kennt das ja... Aber das ist eigentlich gar nicht so sehr das Thema, über das ich mich auslassen wollte - es ist nur eine unheimlich elegante Einleitung.

Meine Mutter hat mich darauf gebracht. Ich habe versucht, ihr irgendwie begreiflich zu machen, in welchem Stadium ich mich mit meiner Masterarbeit gerade befinde. Denn ich sitze eigentlich - abgesehen von den 2 Tagen, in denen ich tatsächlich für Geld arbeite, dauernd daran und rechne, schreibe, verschaffe mir einen Überblick, lese, fasse zusammen... und irgendwie ist nichts von den mindestens 80 Seiten, die ich schreiben sollte, zu Papier gebracht. Das gibt einem irgendwann schon zu denken.

Sie verglich das Ganze dann mit einer großen Aufräum-Aktion und tatsächlich kenne ich genau das: Wenn mich so richtig der Rappel packt und ich plötzlich wie ein Duracell-Hase durch die Wohnung wusle mit dem festen Vorsatz, mal so richtig Ordnung (meist bedeutet das: in meine Gedanken...) zu machen, arbeite ich stundenlang wie im Rausch - und irgendwann schaue ich mich um und könnte heulen, denn ich blicke auf einen substanziellen, riesengroßen

Saustall.

Meist gehen dann keine Türen mehr auf oder zu und auf jedem Tisch, auf jeder Ablage, auf jedem Quadratzentimeter des Fußbodens steht oder liegt irgendwas herum. Und es ist schon Abend.

Das Ganze endet dann meist wie durch ein Wunder vergleichsweise wenige Stunden später, nämlich so gegen 22 Uhr und ich stehe in einem perfekt aufgeräumten, sauberen Zuhause, in dem ich plötzlich viel freier atmen kann und plumpse anschließend glücklich und erledigt in mein frisch überzogenes Bett.

So in etwa erhoffe ich mir den weiteren Verlauf meiner Arbeit auch. Wobei die zeitlichen Relationen nochmal etwas anders ausfallen müssten, denn das Lektorat ist für Mitte August angesetzt und wie wir alle wissen, sind da schon längst Sommerferien - der Hort hat natürlich ausgerechnet dann geschlossen (Juhu.).

Ich habe vor über einem Jahr mit diesem riesen Projekt angefangen. Wenn ich gewusst hätte, wie gnadenlos ich mich damit übernehme, hätte ich es mir vielleicht wirklich nochmal anders überlegt... monatelanges Programmieren und Testen (mit -zig Wiederholungsschleifen wegen immer neuer Fehler in den wenn-dann-Filtern) der online-Befragung mit dem kleinen Zusatz, nebenher mal einen Blog zu basteln, damit meine Teilnehmerinnen und jeder, den es (nicht) interessiert, ein bisschen verfolgen kann, wem er (also sie) ihre Freizeit geopfert hat, um sich über sein Privatleben löchern zu lassen.  - zwischenrein das Kind einschulen - und im Nachhinein feststellen, dass die Befragung so saudoof codiert war, dass ich nach dem Ziehen des Datensatzes erst mal einen erheblichen Anteil meiner über 400 Variablen umcodieren musste. Und vorher drüber nachdenken! Sich wieder in SPSS einarbeiten. Zwischenrein immer wieder mal ein bisschen Geld verdienen. Den Faden verlieren. Nochmal von vorne anfangen. Fehler finden. Nochmal von vorne anfangen. Weitere Fehler finden. Nochmal von vorne anfangen. Methodenteil schreiben. Rechnen, rechnen, rechnen. Irgendwie das Gefühl haben, nichts mehr nachvollziehen zu können. NOCHMAL VON VORNE ANFANGEN.

Mittlerweile habe ich glaube ich so ziemlich alles (an einfachen Verfahren und ein bisschen kompliziertere auch) gerechnet, dass ich gar nicht mehr weiß, wo mir der Kopf steht. Mein Ordner ist voll mit Unterordnern, Syntax-, Output- und Excel-"Übersicht"s-Dateien, dass ich schon wieder eine Übersicht bräuchte, was nun eigentlich was ist...
Und eigentlich wollte ich im Mai die Statistik abschließen.

Natürlich funkt das "echte" Leben auch immer wieder mal dazwischen. Ich lasse an dieser Stelle mal Seth Gecko sprechen (Ich selbst sage sowas natürlich nicht. Also nicht laut. Also nicht in der Öffentlichkeit.) :



(Übrigens meiner Meinung nach eine der wenigen Filmszenen, die in der synchronisierten Variante um so vieles witziger sind, als in der Originalversion. "The world is my oyster" ist zwar auch ziemlich lässig, aber hiervon weit, weit entfernt.)

Ansonsten gehört ein beträchtlicher Teil meiner Aufmerksamkeit einer ganz anderen Baustelle - meinem Job und einem Thema, an der mein Herz sehr hängt. Da wird in nächster Zeit auch geballte Kompetenz und vor allem ein gutes Netzwerk gebraucht, um den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Und gerade deswegen muss diese Masterarbeit nun endlich abgeschlossen werden.

Insofern: Ich werde mir nun die Finger wund schreiben! Und hoffentlich kann ich, wenn ich nächstes Mal Zeit zum Posten finde, etwas über meine Ergebnisse berichten und die Frage beantworten, was eine alleinerziehende Mutter überhaupt davon hat, eine neue Partnerschaft einzugehen oder ob das nur ein Haufen Stress und ergo vergebliche Liebesmüh ist. Denn genau darum ging es mir - sowas muss man schon mal mit wissenschaftlichen Mitteln klären, finde ich.

Montag, 11. April 2016

Reality bites

"Und, wie läuft's?"
"Naja. Nicht so toll."
"Was los, erzähl!"

In letzter Zeit kommt es immer häufiger vor, dass ich an dieser Stelle sage, dass ich nicht darüber reden will. Sowas mochte ich eigentlich nie. Ich habe es immer vorgezogen, mindestens eine kurze Antwort zu geben, weil ich immer dachte, dass mein Gegenüber sonst anfangen würde zu spekulieren oder es einfach so wirke, als wolle ich mich einfach interessanter machen. Und einfach zu sagen "Mir geht's gut.", wenn es nicht der Fall ist, ist nicht meins.

Was ist passiert? Nichts. Dabei wäre es höchste Zeit, dass etwas passiert.

Es ist noch nicht lange her, da habe ich Freudentränen vergossen. Weil es ganz so aussah, als ob endlich Licht am Ende des Tunnels zu sehen sei. Das Studium neigt sich dem Ende entgegen und seit Mitte 2013 arbeite ich eigentlich gezielt auf ein Ziel hin, nämlich nach dem Studium wissenschaftlich tätig sein zu können, wobei eine Promotionsmöglichkeit das Sahnehäubchen sein sollte. Nur ist das natürlich nicht ganz so einfach, wenn man
a) räumlich nicht flexibel ist, weil man sein Kind nicht aus seinem gewohnten Umfeld herausreißen und erst recht nicht von dem klein wenig Familienanschluss trennen möchte
b) man altersmäßig aus dem Rahmen der meisten Stipendien herausfällt und
c) man in die Rentenkasse einzahlen muss und aus der studentischen Krankenversicherung herausfällt, was eine Anstellung unverzichtbar und ein Stipendium, selbst, wenn man mit viel Glück eins bekäme, hinfällig macht.

Tatsächlich sah es bis vor Kurzem so aus, als ob es für mich zwei Möglichkeiten gebe. Ich habe mich nicht darauf verlassen, aber hatte das Gefühl, als ob es durchaus realistische Chanen geben könnte - "Alles wird gut.", dessen war ich mir schon relativ sicher.

Was tatsächlich geschehen ist, ist, dass ich nun eine 25%-Stelle habe - ein Traum. Ich darf mich mit einem Thema beschäftigten, das mich wissenschaftlich brennend interessiert und mit dem ich mich in letzter Zeit privat mehr beschäftigt habe, als ich es mir mit der noch nicht fertigen Masterarbeit leisten kann. Die Tatsache, dass ich mich nun gegen Bezahlung damit befassen darf, empfinde ich als großen Luxus. Und der Dienstausweis in der Tasche fühlt sich gut an.

Im Oktober darf ich den Dienstausweis dann auch wieder abgeben, die Stelle ist befristet und es sieht nicht gerade so aus, als ob es ein Danach gäbe - wie das halt so mit befristeten Stellen ist.

Mit meiner Masterarbeit möchte ich im Sommer fertig sein und nun weiß ich wieder nicht, was danach auf mich zukommt. Dafür weiß ich, was im Rahmen meiner Masterarbeit noch auf mich zukommt. In meiner großen Menge an Daten möchte ich herausfinden, was die Zusammenhänge zwischen Stress und Wohlbefinden bei alleinerziehenden Frauen mit neuem Partner moderiert - also welche Faktoren dazu führen, dass es einer Alleinerziehenden mit Freund besser oder schlechter geht. In einem Datensatz mit über 210.000 Zahlen. 

Dafür habe ich ein halbes Jahr Testverfahren zusammengestellt, an einer online-Befragung herumprogrammiert und die Daten von über 600 Frauen erhoben. Alleine. Und nun frage ich mich, warum ich mir so etwas angetan habe. Ich hätte mir ebenso gut ein Thema von einem Lehrstuhl geben lassen können - schon geplant und evt. mit einem fertigen Datensatz. Ein völlig legitimes und vernünftiges Vorgehen - hätte ich vermutlich auch gemacht, wäre ich nicht fest davon überzeugt, dass es sich lohnt, selbst etwas auf die Beine zu stellen, wenn man forschen will.

Ich war eigentlich immer davon überzeugt, dass sich der schwierigere Weg lohnt - nicht, weil ich ein naives Gerechtigkeitsempfinden habe, sondern, weil manche Dinge Zeit brauchen und weil man sich für Dinge, die es wert sind, anstrengen muss. Und ich habe wirklich gekämpft. Zähne zusammengebissen. Augen zu und durch. Im Moment fühle ich mich, als würde ich in jedem Lebensbereich trotz Anstrengung, Geduld und gutem Willen, Motivation und Einsatz scheitern.

Ja, ich weiß, das klingt furchtbar und pathetisch und jämmerlich. Aber irgendwann geht auch mir die Kraft aus. Die Unsicherheit macht mich mürbe.

Während ich das schreibe, bekomme ich Nachrichten von Söhnchens Papa, der mir begeistert und voller Stolz erzählt, wie süß die beiden Kinder miteinander sind.
Ich freue mich - nicht nur für ihn, sondern auch darüber, dass wir diesen Umgang miteinander gefunden haben und er mir solche Nachrichten überhaupt schreibt. Es ist gut zu wissen, dass es ihm und seiner kleinen Familie gut geht. Er ist glücklich.

Es ist nicht gut, darüber nachzudenken, wovon ich weit, weit entfernt bin und was ich vermutlich alles nicht haben werde.

Sonntag, 20. März 2016

Das lange gefürchtete Posting

Aus aktuellem Anlass.

Ich weiß nicht, ob es aus meinen Postings ersichtlich wird: Ich versuche, meine Schilderungen und Texte über das Leben als Alleinerziehende immer recht wenig emotional, dafür umso pragmatischer und optimistischer zu halten.

Wie ich schon einmal andeutete, ist das Alleinerziehendsein nicht unbedingt etwas, das überhaupt nicht zu mir, zu meiner Persönlichkeit "passt". Warum - das ist ein Thema, über das ich mich lang und breit auslassen könnte. Trotzdem ist es keine "selbst gewählte" Lebensform von mir.

Die Entscheidung, mich vom Vater meines Sohnes zu trennen und mit meinem Kind alleine zu leben, habe ich mir nicht leicht gemacht. Wahrscheinlich hätte es andere Frauen gegeben, die in einer vergleichbaren Situation geblieben wären, aber für mich gab es keine Alternative. Mich hat meine Entscheidung lang, lange geplagt. Auch heute kann ich mich nicht immer gut von den mit dieser Entscheidung verbundenen Gefühlen distanzieren.

Aber ich ziehe es eben durch. Und dazu gehört, dass ich mit meiner Situation nach Möglichkeit nicht hadere. Das hat sicherlich vielerlei Gründe, in denen sich meine Ambivalenz wiederspiegelt:

Einer davon ist, dass ich - das habe ich sicherlich auch schon irgendwann einmal ausgeführt - wie viele andere Alleinerziehende auch nicht genügend Abstand zu meinen Schuldgefühlen habe. Man kann - leider - auch hinter seiner Entscheidung stehen und trotzdem Schuldgefühle haben! Sie dominieren mich nicht, aber so ein kleines Hintergrundrauschen werde ich wohl noch länger mit mir herumtragen. Ich jammere nicht gern, das heißt, meine Schuldgefühle verbieten es mir, mich zu beklagen. Ein weiterer Grund ist, dass es mich in einen maximalen Dissonanzzustand brächte - eine ziemlich sinnlose Sache. Die Situation ist, wie sie ist, und so nehme ich sie an. Ich feiere sie nicht, aber ich möchte auch nicht unzufrieden sein.

Im Großen und Ganzen habe ich es sicherlich geschafft, mich für die positive, starke, optimistische Seite zu entschieden und diese auch nach außen zu transportieren. Ich habe schön öfter mal gehört, dass ich so eine "starke Frau" (oder, mein absolutes persönliches Un-Wort: "Powerfrau") sei. Ich mag diese Schublade nicht, aber gut. Ich denke, es ist nett gemeint. Nun passiert es aber doch manchmal: Dass ich an einem Punkt ankomme, an dem mir das Alleinerziehen zu viel ist. Tage, an denen ich maximal unglücklich bin und alle möglichen negativen Gedanken über Tage hinweg konzertiert mein Wohlbefinden bombardieren und ich völlig erschöpft und vor allem verzweifelt bin.

Ich bin niemand, der viel klagt. Klar bin ich ehrlich und sage durchaus, dass ich im Stress bin, aber das war's meistens auch schon. Manchmal kann ich mich überwinden und heule mich bei vertrauten Menschen aus, aber bei den meisten Personen aus meinem Umfeld ist es dennoch so, dass ich mich, wenn es mir wirklich schlecht geht, vor ihnen lieber zurückziehe, bis es mir besser geht. In meinem unmittelbaren Umfeld sind alle Mütter mit den Vätern ihrer Kinder zusammen. Das ist ein ganz anderer Planet.

Und nun kommt der Moment, den ich so fürchte. Der Teil meines Posting, auf den ich so lange hin gearbeitet habe. Ein Thema, das ich immer, immer vermeiden wollte, weil es andere oft genug sagen und ich mich standhaft geweigert habe, auch nur ein Sterbenswörtchen darüber zu verlieren, weil ich nicht missverstanden werden oder es mir gar mit anderen Frauen verscherzen will. Und nun schreibe ich es doch.

Manchmal lässt es sich nicht vermeiden, zu erzählen, dass es einem eine Zeit lang richtig doll schlecht ging. Und das Schlimmste, wirklich: Das aller-allerschlimmste, falscheste, unpassendste und gefährlichste, was darauf hin entgegnet werden kann, ist, dass man selbst die Situation "kennt" bzw. diese Probleme auch hat.

Ich glaube, es gibt keine alleinerziehende Frau, bei der in so einem Moment nicht eine Million innere Sprengsätze explodieren. Bei mir führt das dann dazu, dass ich gar nicht mehr in der Lage bin, auch nur halbwegs adäquat zu reagieren. Bei fremden Müttern kann ich mit sowas viel besser umgehen, als mit Menschen, die mir nahe stehen. Da versuche ich, gar nicht zu reagieren - aber irgendwann geht das nicht mehr. Darum versuche ich es nun hier und jetzt.

Das Leben ist mehr als eine Aneinanderreihung von Tagen, die sich aus Zeiteinheiten zusammensetzen und ein Alltag ist kein modularisierter Bausatz, bei dem Alleinerziehende in einzelnen Modulen ein technisches Problem haben. Es sind nicht einzelne Stunden, in denen wir eine abgewandelte Version des Lebens gepartnerter Mütter haben. Es sind auch nicht nur einzelne Situationen, die für uns schwieriger sind.

Was uns von Frauen mit Partner unterscheidet ist, dass wir 24/7 die alleinige Verantwortung haben. Mir ist klar, dass in den meisten Partnerschaften die Frauen den größeren Anteil an der Versorgung und Organisation im Zusammenhang mit den Kindern übernehmen - meist wird ja doch eher eine klassische Rollenaufteilung gewählt, in der ein Partner einer Vollzeittätigkeit nachgeht, die die Grundsicherung der Familie gewährleistet, und der andere Teil, mehr oder weniger freiwillig, eine Teilzeitstelle hat, die den Wohlstand sicherstellt - und eben den Alltag mit Kindern wuppt. Dazu gehören sicherlich auch jede Menge Querelen mit dem Kind, eine Menge Ärger, Verletzungen und Enttäuschungen. 

Nur: Selbst, wenn der Mann nicht dauerpräsent ist: Partnerschaft bedeutet auch gemeinsame Verantwortung. Verantwortung füreinander und miteinander. Verantwortung hat nichts mit der Quantität gemeinsamer Zeit zu tun, sondern mit der Art der Beziehung. Diese gemeinsame und gegenseitige Verantwortung ist das, was eine gepartnerte Mutter immer hat, worauf sie sich immer verlassen kann. 

Ich fühle mich irgendwie verpflichtet, auch kurz auf die Frauen einzugehen, die an dieser Stelle denken, dass ihr Mann überhaupt keine Verantwortung übernimmt und sie eher belastet, als auch nur ansatzweise zu unterstützen - ich glaube, von diesen gibt es viele. Und diese Frauen meine ich ganz klar nicht.

In guten, intakten und vor allem gemeinsam ausgehandelten Partnerschaften aber ist eine Mutter eben nicht allein verantwortlich. Und selbst, wenn ihr Partner an vielen Abenden spät nach Hause kommt, so kann sie sich darauf verlassen, dass er grundsätzlich da ist.

Da ist, wenn sie an einem Punkt ist, wo das Kind sie in die Verzweiflung treibt - und dann ein zweiter Mensch da ist, der sich an der Erziehung beteiligen kann (und das hoffentlich dann auch tut!)

Da ist, wenn sie sich Sorgen macht und er sie beruhigt.

Da ist, wenn es darum geht, eine Entscheidung zu treffen.

Und: In den meisten Fällen sichert er - oder eben einer von beiden - die Existenz. Ein zweites Einkommen sichert den Lebensstandard, einen Standard, von dem man als alleinerziehende Frau nicht mal mehr träumt: Eigenheim, optimalerweise groß mit irgendwas Grünem, Auto, Urlaub, Hobbys.

Gerne wird ja darauf hingewiesen, dass der Partner "auch nicht immer da" sei, viel arbeite... aber selbst, wenn er in einer kritischen Situation nicht sofort da ist, so kommt er irgendwann nach Hause. Sie kann sich darauf verlassen, dass er irgendwann nach Hause kommt und dass das nicht eine freiwillige Extraleistung ist, sondern der Teil seiner Verantwortung, die er übernommen hat. Nicht zuletzt, weil er sie liebt und auch ein Interesse daran hat, sie als Partnerin zu behalten.

Die Bindung zwischen Eltern und Kind stellt für das Kind die Basis dar, auf der es seine Umwelt erkunden kann; sie ist das absolute Vertrauen, dass es einen sicheren Hafen gibt, zu dem man immer wieder zurückkehren kann und in dem man mit offenen Armen empfangen wird. Damit wird auch der Grundstein gelegt für die Bindungen, die wir als Erwachsene eingehen und wenn alles gut läuft, erfahren wir eine ähnliche Sicherheit in der Beziehung mit dem Partner. In einer intakten Partnerschaft hat man ein gewisses Maß an Sicherheit; diese Sicherheit macht den Großteil der Existenzberechtigung langjähriger Paarbeziehungen aus, sie ist Sinn und Zweck einer solchen Bindung. Man verhandelt gemeinsam, man plant gemeinsam und man (er-)trägt gemeinsam. 

Ich habe das große Glück, Menschen in meinem Umfeld zu haben, die ihr möglichstes tun, um mich zu unterstützen. Abgesehen davon, dass rein quantitativ meine Verwandtschaft so gut wie all das abdeckt, was normalerweise der getrennte Vater übernehmen sollte (was in der praktischen Umsetzung bei uns schwierig ist), weiß ich, dass ich anderen am Herzen liege und erfahre viel Zuwendung.

Und trotzdem gibt es nichts - nichts - was das Vorhandenseins eines Mitverantwortlichen im Alltag ersetzt. Solange man kein Netz hat, keinen doppelten Boden, keinen sicheren Hafen - ist jede Hilfe, jede Zuwendung, jede Unterstützung, etwas von relativ kurzer Halbwertszeit.

Es sind Dinge, die mein Funktionsniveau aufrecht erhalten, aber sie tragen nichts zur Entschärfung der Gesamtsituation bei. 

Auch nicht die regelmäßigen "freien" Abende, die ich habe und die mir tatsächlich schon einmal als "Vorteil", den ich als Alleinerziehende durch die Unterstützung meiner Mutter habe, unterbreitet wurden - weder gehe ich dann aus, noch schlafe ich am nächsten Tag bis in die Puppen. Häufig vermisse ich mein Kind sogar, wenn er nicht bei mir ist. Ganz, ganz selten sind es mal zwei Nächte am Stück, die ich "frei" habe - und noch seltener erlaube ich mir, solche Zeiten nicht auszunutzen, um ohne gestört oder unterbrochen zu werden zu arbeiten. Wenn ich das nicht mache, dann nur, weil ich so erschöpft bin, dass ich nicht mehr kann. Das ist dann das, wenn andere Urlaub nehmen- eine Zeit, die viele gepaarte Menschen nutzen, um mit ihrer Familie wegzufahren und sich ein, zwei Wochen so richtig zu entspannen, zu regenerieren und es sich gut gehen zu lassen. Eine Sache, die man sich als partnerlose Mutter so ziemlich abschminken kann.

Nein, es gibt nichts, aber auch gar nichts, was es rechtfertigt, die Situation einer Mutter mit vielbeschäftigtem Ehemann in die Waagschale zu werfen, wenn eine partnerlose Mutter erzählt, dass sie vor ein paar Tagen so fertig war, dass sie eine Stunde durchgeheult hat. Alleinerziehend zu sein ist wie im Alltag nur einen Arm haben. Da ist auch das verstauchte Handgelenk beim Zweiarmigen kein adäquater Vergleich. Diesen Unterschied kann man nicht wegdiskutieren.




Meinen Freundinnen und all den gerpartnerten Müttern da draußen gönne ich von Herzen, dass es ihnen besser geht. Ich lasse mir gern von ihren Urlauben erzählen und von den Arbeiten an ihren Häusern, dem neuen Auto, den Ausflügen, dem zweiten und dritten Kind, der Beförderung oder der Auszeit, die sie sich von der Arbeit nehmen, von den Hobbys der Kinder - es sind ihre Lebensentwürfe, sicher ist nicht alles optimal und vieles davon ist mir fremd; manches (z. B. die Haushaltsilfe) hätte ich auch gern, anderes wiederum nicht.

Ich bin für sie froh, dass sie keine Ahnung haben, wie sich die Lage als alleinverantwortliche, alleinerziehende Mutter anfühlt, die sich nur selbst stützen kann, die kein "Wir schaffen das schon!" kennt. Wie es ist, wenn es vorne und hinten fehlt und man sich nur wünscht, mal ein kleines bisschen Sicherheit zu haben. Wenn man sich mehrmals die Woche fragt, was eigentlich passiert, wenn man es nicht schafft, sich aus dieser Lage herauszumanövrieren, und wenn man regelmäßig das Gefühl hat, mit seiner psychischen und körperlichen Kraftaufwendung am Anschlag zu sein. Viele erinnern sich vielleicht an die Zeiten als Single und wie einem da ein gewisser Rückhalt fehlen kann - mit Kind geht es noch einen Schritt weiter und es steht viel, viel mehr auf dem Spiel, wenn ein Kind in einer solche prekären Situation groß wird.

Nur eins wünsche ich mir: Dass sie ein wenig versuchen, sich in meine Lage zu versetzen und sich vorher überlegen, ob gerade ein guter Moment ist, mir ihre Sorgen zu präsentieren, die für mich in manchen Momenten einfach nur wie Luxusprobleme wirken. Ich möchte eine gute Freundin sein, die ein offenes Ohr für ihre lieben Menschen hat. Wenn ich mich schon überwinde zu sagen, dass es mich gerade sehr doll beutelt, dann wäre es lieb, wenn ich mir im nächsten Atemzug nicht anhören muss, dass es auch mit Partner manchmal schwer ist. Dafür verspreche ich hoch und heilig: Wenn mir eine Frau erzählt, dass sie mit ihrem Partner nur noch Streit hat, er sie schlecht behandelt und sie jeden Abend in ihre Kissen weint, werde ich tunlichst vermeiden zu sagen:
"Ohne Partner ist es aber auch ganz schön hart."


Donnerstag, 17. März 2016

Zeit für einen Brief

Liebe Alleinerziehende,

aus gegebenem Anlass habe ich heute Lust, einen Brief zu schreiben, an Dich, an Euch, an uns alle. 

Seit ein paar Tagen bin ich ziemlich unfit und nachdem ich die ersten Symptome stur ignorierte und trotzdem jeden Tag in der Gegend herumflitzte, Termine wahrnahm und dabei noch meinen dringenden Nachholbedarf an Bewegung in der frischen Luft decken musste, hat es mich nun so richtig niedergestreckt.

Ihr kennt das. Krank werden geht gar nicht. Zu den am meisten gefürchteten Vorboten der Apokalypse Alleinerziehender ist ein krankes Kind, aber die Steigerung ist, wenn man selbst krank ist. 

Ein paar Erkrankungen habe ich in den letzten sieben Jahren zu fürchten gelernt, ganz vorne an das Noro-Virus und Streptokokken, letztere bescherte uns vor zwei Jahren  im Winter ein ausdauerndes Krankheits-Ping-Pong und jeweils insgesamt drei Wochen Antibiose. Nicht zu vergessen, dass ich, seit ich alleinerziehend bin, durchschnittlich einmal im Jahr dank einer Kehlkopfentzündung stummgeschaltet bin. 

Als wir es mit dieser Streptokokkeninfektion zu tun hatten, war ich völlig verzweifelt. Ich hatte furchtbare Schmerzen, mein Sohn auch, und sobald wir mit der Antibiose durch waren, hatten wir es zwei Tage später wieder. Ich war völlig zermürbt.

Ich erzähle das, weil ich heute einen Moment hatte, der mich trotz Krankheit froh gemacht hat. Ich habe mich an das Interview erinnert, das Alexandra Widmer mit mir geführt hat, in dem wir uns einig waren, dass eines ganz wichtig ist, nämlich das Wissen darum, dass es vorbei geht.

Heute morgen konnte ich kaum sprechen, schleppte mich in die Küche, schmierte meinem Sohn seine Butterbrote und verkroch mich umgehend ins Bett zurück. Der Junge hat sich selbständig angezogen, allein gegessen, sich seine Zähne geputzt und war nach 15 Minuten mit allem fertig (was an ein Wunder grenzt, denn er ist jemand, der sich für alles seeeehr viel Zeit nimmt). Und dann ist er nochmal für eine Weile im Bad verschwunden. Ohne, dass ich ihn erinnern musste, wusch er sich danach die Hände. 

Ich lag im Bett und brauchte ein Glas Wasser - dann kam mir die Eingebung: Moment, das kann doch... :) - ich rief meinen Sohn um zu fragen, ob er mir ein Glas Wasser bringen könnte und bekam sofort ein "Natürlich!" - und dann konnte ich mir ein "Mit Strohhalm, bitte!" nicht verkneifen und bekam auch den.

Das war ein Moment! Ihr kennt das, oder? Wenn man jahrelang eigentlich nur damit beschäftigt ist, den kleinen Erdenbürger zu bedienen, sich um alles zu kümmern und selbst seit Jahren niemanden daheim hat, der einem selbst Fürsorge zukommen lässt, kann das schon etwas sehr Besonderes sein. Nicht, dass mein Sohn gar nichts daheim machen muss - klar fange ich auch damit an, ihn im Haushalt mit einzubeziehen, aber das läuft halt meist unter: Wenn Du mir hilfst, bin ich schneller fertig und kann dann auch früher mit Dir ein Spiel machen

Dieses Erleben von Fürsorge heute war für mich ein ganz großer Meilenstein. (Für meinen Sohn auch, er hatte sein Highlight, als er mir danach noch das Fieberthermometer in den Mund stecken durfte.) Und ich könnte lange und breit darüber schreiben, was mir im Zusammenhang damit noch so alles klar wurde, aber meinen Brief schreibe ich aus einem anderen Grund, und der ist, dass mir das "Es geht vorbei!" wieder einmal so klar wurde. 

Denn einiges, das ich vor wenigen Jahren noch ganz furchtbar fand, ist vorbei gegangen:

Das erste Jahr, in dem ich alle möglichen Befürchtungen hatte, wie das zwischen dem Vater meines Sohnes und uns so laufen wird, ist vorbei gegangen.

Die Nächte, in denen ich mindestens fünfmal geweckt wurde, sind vorbei gegangen.

Die Semester, in denen ich immer wieder bangte, ob ich wohl in Seminare komme, die sich mit den Betreuungszeiten meines Sohnes verbinden lasse, sind vorbei gegangen.

Die stressigen Phasen, vor allem die Klausurenzeiten, die mich jedes Mal an meine Grenzen brauchten und in denen ich von einem schlechten Gewissen geplagt wurde, sind vorbei gegangen.

Die Jahre in dem hässlichen, dreckigen und miefigen Haus, in einer Wohnung, in der alles auseinanderfiel, sind vorbei gegangen.

Die Zeiten, in denen ich mich einsam und völlig isoliert fühlte und wochenlang kaum mit anderen Erwachsenen ein Wort wechselte, außer mit der Kassiererin im Supermarkt, sind vorbei gegangen.

Die ersten Wochen, in denen mein Sohn alleine seinen Schulweg zurücklegte und ich heimlich hinterher schlich, weil es mir so schwer fiel, ihn alleine losgehen zu lassen, sind vorbei gegangen.

Mittlerweile kann ich ihn sogar eine Stunde allein daheim lassen. Ich stehe kurz vor meinem Abschluss und auch unsere finanzielle Situation wird sich wohl demnächst zumindest ein wenig verbessern. 

Was ich damit sagen will: Natürlich ändert sich nicht alles von allein zum Besseren. Aber die Zeit arbeitet immer für uns. Die Kinder werden größer und damit erobern wir uns unsere Freiräume zurück. Gerade ist mir klar geworden, dass mein Sohn sogar schon in ein Alter kommt, wo man nicht mehr nur Kleinkinderfilme mit ihm anschauen kann (auch, wenn er nach wie vor eine erklärte Schwäche für Pocoyo hat, den ich auch ganz entzückend finde). Beim Papa durfte er sogar schon Star Wars anschauen, und scheinbar (*zwinkert allen Müttern zu, die es nicht verhindern konnten, dass ihr Kind damit angefixt wird*) hat es ihm gefallen. Freitags gehen wir am Abend zusammen außer Haus essen - ok, billig und dafür nicht hochwertig, aber das Ausgehen zählt. Wir haben 2015 einen gemeinsamen Urlaub gemacht und haben in sieben Tagen vier Orte in Holland erkundet und dabei eine liebe Freundin besucht, die ich jahrelang nicht gesehen hatte. 

Ich habe in meinem Leben schon wesentlich Schlimmeres erlebt, als alleinerziehend zu sein. Daher wusste ich schon, dass alles einmal vorbeigeht. Bestimmt werden wir die Folgen des Alleinerziehens unser Leben lang spüren. Ich sage nur Rente und Gesundheit. Natürlich denke ich darüber nach. Schon jetzt überlege ich hin und her, wie ich einmal würdevoll altern kann. Da ich noch nie mehr hatte, als ich wirklich brauchte, mir eigentlich noch nie regelmäßig Urlaub leisten konnte und auch kein Auto, wird es nichts Neues für mich sein, wenig Geld zu haben. 

Es gibt ein christliches Gebet, das ich auch als nicht-Christin sehr zu schätzen weiß und das ich an dieser Stelle zitieren möchte:

Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
  den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,

  und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

Wikipedia zitiert eine längere englischsprachige Version:

God, grant me the serenity to accept the things I cannot change,
  Courage to change the things I can,

  And wisdom to know the difference.

  Living one day at a time,

  Enjoying one moment at a time,

  Accepting hardship as a pathway to peace, (...)

Ich denke, damit können auch anders- oder nichtgläubige Menschen etwas anfangen: Es gilt, zu unterscheiden, was man ändern kann und was nicht. Manches ändert sich auf wunderbare Weise von selbst.

Über das Ändern könnte ich weitere lange Seiten füllen - aber das lasse ich an dieser Stelle. Was ich hier und heute unbedingt sagen wollte war einfach: Es geht vorbei. 

Alles geht vorbei. Nicht alles geht spurlos an einem vorbei, aber das Meiste wird besser. Es wird nicht optimal. Es wird nie so sein, als ob wir nie durch diese harten Zeiten gegangen wären. Aber wir können uns arrangieren.

Liebe andere Alleinerziehende, vertraut darauf, dass es besser wird, wenn ihr mal richtig durchhängt. Manchmal geht es einfach nur ums Aushalten, aber irgendwann ist es geschafft. 

Und selbst, wenn niemand sonst für uns arbeitet: Die Zeit arbeitet immer für uns. Sagt Euch das immer wieder.


Donnerstag, 10. März 2016

Regretting WTF?!

Wow. Ein neues Schlagwort erobert die Medien. Nach Attachment Parenting, Langzeitstillen, Vereinbarkeit, Helikoptermutter und was-weiß-ich sind wir nun bei Regretting Motherhood. Heute ist mit der x-te Artikel dazu in die Finger gekommen.

Ich hatte nicht unbedingt vor, Mutter zu werden. Die Vision "Mutter, Vater, Kind(er)" als erklärtes Lebensziel war mir eigentlich immer fremd. Ich war einer dieser jungen Menschen, die eigentlich gar keine Ziele im Leben hatten. Ich wollte (irgend)etwas "Sinnvolles" machen, etwas, das mir Spaß macht. Beziehungen fand ich eigentlich immer recht uninteressant und darum habe ich mir damit so richtig viel Zeit gelassen. Und prompt war mein Leben irgendwie auch fast nie mehr unbeschwert, nachdem ich meinen ersten Freund hatte, mit 18. Mich hat das total überfordert.

Nach dieser Beziehung und dem ersten richtigen Kummer, den die zweite Liebe mit sich brachte, dauerte es, bis ich mich wieder erholt hatte und danach ging es mir richtig gut, ich war frei, fröhlich, gesund, hatte eine Menge Freunde und genoss das Leben. Dann kam wieder eine Beziehung und eine Phase in meinem Leben, an die ich lieber nicht zurückdenken möchte. Ganz zu schweigen von meinem beruflichen Werdegang, der so gesehen auch von völliger Planlosigkeit geprägt war. Ich hatte Wünsche und Träume, aber wie gesagt, absolut keinen Plan und machte eben - zwangsläufig und daher eher lustlos - lauter Dinge, auf die ich eigentlich keine Lust hatte. So richtig anpassen wollte ich mich nämlich gar nicht. Und an Kinder war überhaupt nicht zu denken.

Diese Phase endete mit der Begegnung mit dem Vater meines Sohnes. Als wir uns über den Weg liefen, hatten wir beide Dinge erlebt, die uns schwer in den Knochen hingen. Manchmal denke ich mir, wir haben uns gegenseitig so ein bisschen gerettet damals. Es war eine schöne Zeit, wir sehnten uns nach Ruhe und Gleichmäßigkeit, nach Stabilität und Zugehörigkeit - so würde ich es zumindest rückblickend formulieren. Wir hatten Hoffnung und setzten alles auf eine Karte.

Es war die Zeit, in der auch in unserem Umfeld die ersten Babys kamen. Wir waren alle Anfang dreißig, da überlegt man schon langsam, wo es eigentlich hin gehen soll. Wir stellten uns vor, wie wir als Eltern sein würden - und ich merkte, wie ich mir tatsächlich ein Kind wünschte. Das kam überraschend. Aber ich war mit meinem Wunsch nicht allein und dann ging es auch ganz schnell... der Rest ist ja bekannt (oder in anderen Postings nachzulesen).

Ich erinnere mich an einen Moment, als ich schon mit meinem Sohn allein war, in dem ich zu meiner Freundin sagte: "Ich bräuchte nicht unbedingt ein Kind."

Das bedeutet nicht, dass ich mein Kind nicht liebe. Ich liebe mein Kind sehr. Aber ich weiß, dass ich mit Sicherheit grundsätzlich in der Lage wäre, eine gute Zeit zu haben, wenn ich nicht Mutter geworden wäre. Wobei ich offen gestanden keine Ahnung habe, wie mein Leben verlaufen wäre, hätte ich nicht an diesem 9. Juni 2008 - am Montag nach einem ziemlich ungesunden Wochenende auf Rock im Park - dann doch ziemlich überraschend einen positiven Schwangerschaftstest in der Hand gehalten. Ich weiß nicht, wie lange meine Beziehung überlebt hätte und wann ich angefangen hätte, einen etwas gesünderen Lebensstil zu leben - wenn ich nur daran denke, wie viel ich früher geraucht habe! An diesem 9. Juni endete mein Leben als Raucher. Ich bin dankbar, nie wieder mit dem Rauchen angefangen zu haben, wenn man von dem gelegentlichen Ziehen an anderer Zigaretten absieht.

Hätte ich kein Kind bekommen, würde ich mit Sicherheit noch rauchen. Viel rauchen. Ich wäre vermutlich irgendwann auch wieder Single gewesen und wäre ausgiebig um die Häuser gezogen. Mit Sicherheit wäre ich wesentlich früher mit meinem Studium fertig geworden und hätte schon ein paar Jahre mehr in die Rentenkasse gezahlt. Ich hätte mehr Geld. Und bestimmt wäre ich ein paar Mal mit meinem besten Freund nach Schottland gereist. Sehr wahrscheinlich hätte ich 10-15 kg weniger auf den Hüften. Eventuell würde ich einmal die Woche irgendeinen Sport machen, weil ich mich gern bewege. Und es besteht die Möglichkeit, dass ich eine Katze hätte. Oder eine Maus.

Bereue ich, Mutter geworden zu sein? Der Gedanke ist verlockend. Aber nein, ich bereue es nicht.

Mit meinem Kind und dem Leben als alleinerziehende Mutter habe ich definitiv bis auf Weiteres meine Komfortzone verlassen. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die im Muttersein Erfüllung finden. Das ist bei mir einfach nicht so, ich finde Erfüllung vor allem in Bildung, im Erweitern meines Horizonts, im Entdecken, im Fragen stellen und Antworten suchen, in langen Gesprächen, im Austesten meiner Grenzen, im Weiterentwickeln meiner selbst. Ja, viel mehr gibt es da leider tatsächlich nicht. Eigenbrötler halt. Schon fast peinlich. Vielleicht aber auch eine Entwicklung, die sich natürlich ergibt, wenn die ersten Beziehungserfahrungen nicht so gut waren? Wer weiß.

Aber: Ich habe mich ja entwickelt. Nur unter anderen Umständen, als ich es mir vorgestellt hatte. Unter unbequemeren Umständen.

Ja, Mütter haben es schwer heutzutage. Was wird über uns diskutiert, was klugscheißern wir um die Wette mit anderen Müttern, was gut und richtig ist, was natürlich, was unerhört, was überholt, was inakzeptabel. Was zerreißen wir uns zwischen all den Dingen, die wir gleichzeitig haben können und schon allein deswegen irgendwie auch wollen. Wir bewegen uns zwischen Erfolg und Scheitern, zwischen Kind und Karriere, zwischen Helikoptermuttersein oder Nicht-Erziehen. Unsere Welt ist voller Extreme. Und auch wenn ich verstehe, dass man als Mutter gelegentlich die Schnauze gestrichen voll hat (siehe mein letztes Posting!) und sich wünscht, man hätte sein altes Leben wieder - für mich ist "Regretting Motherhood" der Gipfel der Extreme und ausnahmsweise mal ein Extrem, das ich inhaltlich komplett ablehne.

Wir haben Kinder in die Welt gesetzt und das ist auch gut. Und wir haben die verdammte Pflicht, in diesen globalen Irrenhaus mit allen Mitteln für sie da zu sein, sie zu unterstützen und ihnen alle Liebe angedeihen zu lassen, die wir haben. Zu sagen: "Ich bereue, dass ich Mutter geworden bin." muss für ein Kind, egal, wie alt es ist, aus dem Mund seiner Mutter ein Schlag ins Gesicht sein. Und selbst, wenn man, nachdem man diesen Satz von sich gegeben hat, erklären und relativieren kann, sind diese Worte für mich tabu.

Ich bereue wirklich vieles. Aber selbst, wenn ich nun in einer Situation bin, die ich mir anders wünschen würde - ich bereue weder, den Vater meines Sohnes getroffen zu haben noch, mit ihm ein Kind bekommen zu haben. Ich bereue auch nicht, damals gegangen zu sein. Ich weiß, wir Alleinerziehenden werden vom Staat im Stich gelassen und das ist eine Schande. Nur kann da mein Kind nichts dafür. Er ist ein Geschenk - mit einem Millionen Seiten langen Manual, voller Überraschungen, die größte Herausforderung. Und das lasse ich mir nicht von der Gesellschaft, in der ich lebe, kaputt machen.

Lieber tausendmal 
Fuck the System!
als nur einmal 
Regretting Motherhood!





Sour Times

Im Gespräch mit anderen, nicht alleinerziehenden Müttern hört man ja manchmal, dass es mit Partner auch nicht immer leicht sei. Das glaube ich - wenn an dem Klischee, dass Frau sozusagen ein Kind mehr in Gestalt ihres Partners mit versorgen muss, etwas dran ist...

Ich sah mich in meinem Leben vor dem Kind eigentlich nie in einer klassischen Familie mit klassischer Rollenaufteilung. Und auch mein bester Freund meinte einmal, er habe mich schon immer (und wir reden hier von über zwanzig Jahren) immer eher in der Rolle einer alleinerziehenden Mutter gesehen, als in der Rolle einer "Familienmutter". War  zwar nicht so geplant, aber irgendwie hat es für mich auch immer gepasst, mit meinem Sohn allein zu sein. Selbst wenn ich phasenweise am Limit laufe und diese Zeiten körperlich deutliche Spuren hinterlassen haben, ich es nicht mag, so wenig Freiheiten, so wenig Geld und so wenig Zeit für mich zu haben, aber immerhin hatte ich das Gefühl, alles im Griff zu haben.

Womit ich nicht gerechnet hatte ist, was sich mit dem Schuleintritt und allem, was dazugehört, ändern würde. Und auch wenn ich mir früher in schwierigeren Situationen mit meinem Sohn dachte, dass das Alleine-Erziehen das eigentlich blöde am Alleinerziehen ist, hatte ich in den letzten Tagen immer wieder mal den Gedanken: Ich schaffe das nicht alleine.

Manchmal braucht man einfach einen Partner, der das Kind mit erzieht.
Hier hatte ich nun ein paar Tage (für mich völlig ungewohnt! Tage!) am Stück die Situation, dass mein Sohn und ich überhaupt nicht miteinander konnten und holla die Waldfee, es ist absolut erschreckend, wie ein siebenjähriger Knirps alle Register ziehen kann, um seinen Dickkopf durchzusetzen. Und holla die Waldfee, es ist ebenso erschreckend, wie er damit genau die Knöpfchen erwischt, die mir völlig die Souveränität rauben und mit komplett den Teppich unter den Füßen wegziehen. Und holla die Waldfee, ich weiß jetzt, dass ich dann auch zum Hulk werden kann.

Wie sehr habe ich mir in diesen Tagen gewünscht, diese Kämpfe nicht allein mit dem Jungen ausfechten zu müssen. Wie sehr eine geteilte Verantwortung helfen würde oder einfach nur ein Puffer, der dazwischengeht, wenn die Zornesfalte auf Söhnchens Stirn wieder mal besonders deutlich zum Vorschein tritt, die Arme vor der Brust verschränkt werden, kein Wort über seine Lippen kommt, aber die vor Wut funkelnden Augen Bände sprechen. Wenn ich mit Engelszungen versuche, an ihn heranzukommen und nach -zig gescheiterten Versuchen der Frust so groß ist, dass mir der Kragen platzt und ich ganz tief in die Schublade der dysfunktionalsten, dümmsten und misserfolgversprechendsten Erziehungsstrategien greife. Mit dem Ergebnis, dass mein Sohn hinterher noch sturer wird und ich kurz vorm Verzweifeln bin.

Ich gebe zu: Ich bin sensibel. Ja, ich nehme wirklich den Flügelschlag einer Fliege wahr und ja, dieser Flügelschlag fühlt sich für mich auch mal an wie ein Tornado. Und vielleicht gibt es Mütter, die solche Situationen mit einer gewissen Gelassenheit aushalten können. Ich kann es nicht.

Nachdem mir vorgestern der Kragen geplatzt war, heulte ich bestimmt eine Stunde nonstop durch. Und auch am nächsten Tag scheiterte jeder Versuch, auf mein Kind zuzugehen und ihn dazu zu bewegen, auch einzulenken und vielleicht auch mal auf eine Frage, eine Bitte, einen Versuch, auf ihn zuzugehen, mit Ja zu antworten.

Klar habe ich Menschen, mit denen ich Rücksprache halten kann. Im Hort habe ich tolle Erzieherinnen als Ansprechpartner und auch die Lehrerin meines Sohnes liegt mir sehr, hört zu, sieht das alles nicht so eng. Ich habe Freunde, die mir den Rücken stärken und meine Mutter, die zwar meist ein bisschen mehr Fürsprecherin meines Sohnes ist, aber von der ich in den letzten Tagen auch eine große und ungewohnte Portion Mitleid erfahren habe.

Es ist dennoch etwas anderes, nehme ich an, als wenn man zumindest einmal am Tag mit einem anderen Menschen zusammensitzt, der dem Kind ebenso zugetan ist, wie man selbst - der mit einem zusammen überlegt, auch im Interesse des Kindes, der einen beruhigt oder der auch auf das Kind "einwirken" (blödes Wort, aber mir fällt gerade kein schöneres ein) kann.

Wenn mir eine Frau erzählt, dass ihr Partner ihr nicht zuhört, wenn sie sich solche Sorgen um ihr Kind macht - sei es am Telefon oder wenn man sich zuhause "über den Weg läuft" - dass es diesen Partner nicht interessiert, wenn das Kind alles verweigert von Essen bis zu den Hausaufgaben - dann stimmt etwas nicht. Dann ist das sicherlich nicht die Partnerschaft, Ehe oder was auch immer, der ich meine Situation gegenüber stelle. Der Sinn einer Partnerschaft liegt immer noch darin, sich gegenseitig zu unterstützen. Und auch wenn in vielen Familien mit zwei Eltern sicherlich ein größerer Teil der Verantwortung bei der Mutter liegt: Es ist immer noch ein Unterschied, ob man die meiste oder die alleinige Verantwortung hat.

Diese Erfahrung muss ich auf jeden Fall erst einmal sacken lassen. Das Gefühl, alleine nicht zurecht zu kommen, ist neu für mich. Ich bin sicher, es ich vergänglich, aber es wird auch nicht das letzte Mal gewesen sein. Was wird erst in der Pubertät? Darüber will ich gar nicht nachdenken.


Donnerstag, 11. Februar 2016

Ich heule. Vor Glück.

Die letzten wenigen Wochen und besonders die letzten Tage waren sehr bewegt und bewegend.

Ich habe zum ersten Mal in meinem Leben wirklich auf den Rat anderer gehört und nun sieht es so aus, als ob eines zum anderen führt und all meine Träume wirklich wahr werden - ich verlängere mein Studium um ein Semester, kann dadurch die Masterarbeit etwas entstressen und noch mehr Berehnungen ausprobieren, mein Sohn hat in den Osterferien was von seiner Mama - und ich bekomme eine großartige Stelle als Hilfskraft in einer sehr, sehr interessanten Einrichtung. Und, wie es aussieht, danach eine Doktorandenstelle. Drei Tage hintereinander habe ich gute Nachrichten und Zusagen erhalten und das macht mich gerade völlig fertig. Gerade habe ich meinen ganzen Dank zu Papier gebracht und dabei liefen viele, viele Tränen.

So ganz kann ich es ja noch nicht glauben - erst, wenn ich die Verträge unterschrieben habe, weiß ich, dass ich das nicht alles geträumt habe. Aber ich habe so viel Vertrauen gewonnen, dass ich schon jetzt relativ sicher bin, dass alles gut geht. Das ist neu. Das ist gut. Ich glaube, da wartet ein ganz neues Lebensgefühl!

Donnerstag, 4. Februar 2016

Die Geburt meines Sohnes und deren Nachwirkungen



Als ich heute vor sieben Jahren aufwachte, war ich aufgeregt. Es war der 4. Februar 2009 und ich wartete nervös auf Wehen, die die Geburt meines Sohnes eröffnen würden. Der errechnete Entbindungtermin war überschritten, der Fruchtwasserstand niedrig und Tag für Tag musste ich mich im Klinikum vorstellen, um nach dem Rechten sehen zu lassen. Die Untersuchungen waren unangenehm und es war zudem bereits ein Versuch, die Geburt einzuleiten, missglückt. Man bereitete mich darauf vor, den Jungen per Sectio zu holen und ich war unglücklich, fühlte ich mich auf die Geburt so gut vorbereitet, war gespannt darauf und freute mich sogar auf die Herausforderung. Und natürlich war ich überzeugt, dass eine Geburt auf natürlichem Weg auf für mein Kind der beste Start ins Leben sein würde. Noch einen Tag hatte man mir gegeben. Die Aussicht auf eine operative Entbindung stresste mich massiv, mein Blutdruck war in Dimensionen, die sogar das Ziehen eines intravenösen Zugangs zu einem Abenteuer machten. Ich war verzweifelt, denn ich war noch nie auf einem OP-Tisch gelegen und hatte - abgesehen von der Nacht der fehlgeschlagenen Einleitung - auch noch nie in einem Krankenhaus geschlafen. Und da war mein Mann bei mir geblieben, weil ich sonst heimgegangen wäre.


Die Hebammen im Klinikum hatten mir Rhizinusöl abgefüllt; der Plan war, am Nachmittag einem Wehencocktail die Chance zu geben, die Wehen doch noch anzustoßen. Der Vater meines Sohnes hatte an diesem Tag Spätschicht und ich war allein, aber die Hebammen im Klinikum wussten Bescheid und ich hätte mir im schlimmsten Fall eben ein Taxi gerufen.


Ich schlief also noch ein Stündchen und gegen 15 Uhr trank ich das Gemisch und wartete. Um 18 Uhr grummelte es einmal kräftiger im Bauch, das war es dann. Um kurz vor 23 Uhr kam mein Mann* nach Hause und wir gingen bald schlafen. Ich war unruhig und griff auf ein alt bewährtes Mittel zurück, das aus langen Jahren regelmäßiger und teils massiver Schlafstörungen schon gut kannte: Hörspiele. Besonders Kishon hat es mir angetan und so lag ich im Bett und lauschte ausgewählten Kishon-Satiren zum Einschlafen.


Es war kurz vor Mitternacht, als ich in dem Zwicken in der Bauchgegend eine Regelmäßigkeit im Abstand von 10 Minuten feststellte, konnte aber nicht ganz glauben, dass das Wehen sein sollten. Ich rief im Krankenhaus an, wir fuhren hin und ich erfuhr, dass die Geburt begann.


Womit auch das Ende des schönen Teils der Geburt meines Sohnes endet.


Ich war auf alles vorbereitet gewesen, auf Schmerzen und Erschöpfung, aber ich hatte damit gerechnet, von einer Hebamme begleitet zu werden. Tatsächlich wurden mein Mann und ich mit nur wenigen Unterbrechungen allein gelassen. Viele Stunden war das auch okay, wir konnten uns beschäftigen, das Ganze war ja auch aufregend und spannend.  Als die Schmerzen heftiger wurden, fragte ich nach, ob es eine Alternative zur PDA gebe und erhielt einen Tropf, von dem mir mitgeteilt wurde, dass er aber nur die Spitzen der Schmerzen abpuffern könne. War auch so, aber mir ging es gut damit. Ich war entschlossen, die Schmerzen eben zu ertragen, als Teil des Geburtserlebnisses. Für irgendwas würde auch das gut sein.


Die Hebamme war sichtlich froh über eine so "unkomplizierte" Entbindende. Unkompliziert, ein Attribut, das mir schon mehrmals verliehen wurde und jedes Mal fluch(t)e ich innerlich, denn ich mag zwar immer bemüht sein, niemandem auf die Füße zu treten und mein Gegenüber im Blick zu behalten, bin aber gleichzeitig zutiefst sensibel und schlucke sehr viel herunter. Und oft bekomme ich dadurch vieles nicht, das ich eigentlich dringend bräuchte, denn man merkt es mir nicht an und ich sage auch nichts. Wie auch in den frühen Stunden des 5.2.2009.


Als ich an den Punkt kam, an dem ich doch einmal etwas sagte, war das nur, dass der Tropf leer sei und ob ich einen neuen bekommen könne. Die Antwort, die ich erhielt, war "Nein, zu viel fürs Kind und es kommt auch jeden Augenblick." - so ungefähr. Und natürlich dauerte es nicht lang, bis die Schmerzen unerträglich wurden. Das war der Moment, in dem ich weiblichen Beistand dringend gebraucht hätte.


Stattdessen teilte mir die Hebamme mit, sie habe nun Feierabend. Ich war völlig entsetzt. Wenig später stand die Ablösung vor mir, eine grobschlächtige, völlig fremde Frau, die mir lapidar mitteilte, ich könne jetzt mal anfangen zu pressen. Ich war völlig überfordert und hatte unglaubliche Angst.


Nach einigen Presswehen, die scheinbar nicht genug voranbrachten, verließ sie wortlos den Raum und kam mit Oberärztin, Kinderarzt inkl. Gerätschaften und mindestens einer weiteren Helferin zurück. Erklärt wurde mir nichts, und was dann folgte, machte den tollsten Tag meines Lebens zu einem Albtraum. Ich  habe es über mich ergehen lassen, die Augen zugemacht und war nicht ganz sicher, ob ich sie jemals wieder öffnen würde. Zu viert standen sie um mich herum und irgendwo hinter mir der Vater meines Sohnes und ich bin sicher, für ihn war das ein furchtbarer Anblick. Wie die Geburt dann vonstatten ging, kann ich nicht beschreiben, ich empfand es als gewaltvoll und demütigend.


Irgendwann spürte ich, dass mir etwas auf die Brust gelegt wurde und ich wusste, das war mein Kind. Es war schwer, nass und warm und ich brachte es nicht fertig, die Augen zu öffnen. Sekunden später war es auch schon wieder weg.


Bis heute weiß ich nicht, warum mein Kind so aus mir herausexorziert wurde. Ich stand unter Schock und war so dermaßen dankbar, dass wir noch lebten, dass ich nie danach fragte. Das Kind hatte später einen perfekten APGAR und war putzmunter, gefährlich oder kritisch war da jedenfalls nichts gewesen. Ich wollte es hinter mir haben, nach Hause und einfach vergessen.


Ich wurde wohl 45 Minuten versorgt, bevor man mich auf den Flur hinter einen Paravent (!) schob, wo ich mich dann bereit fühlte, mein Kind entgegenzunehmen. Ich verbrachte die erste Nacht im Krankenhaus und danach wollte ich heim. Ich hoffte auf die Unterstützung meiner Nachsorgehebamme, aber diese kam total gestresst bei uns an und machte das Ganze eher schlimmer, als besser.


So verlief also die Geburt meines Mutterseins. Und ich bin sicher, dass die Folgen dieses Geburtserlebnisses einen großen Einfluss auf den Verlauf der Geschichte unserer Familie hatten. Ich will nicht sagen, dass wir ein besseres Paar gewesen wären; wir wären früher oder später sicher auch gescheitert und ich denke, dass früher in solchen Fällen besser ist. Aber ich hätte nicht ein (weiteres) schweres Trauma im Rucksack gehabt und wäre in vielen Dingen vielleicht etwas gelassener gewesen.


Heute morgen habe ich meinem Sohn, der aufgeregt seinem siebten Geburtstag morgen entgegenfiebert, wie jedes Jahr von seiner Geburt erzählt (die entschärfte Version!). Und wie jedes Jahr bin ich traurig, sobald ich alleine bin und über die Jahre, die wir nun gemeinsam hatten, nachdenke. Wie jedes Jahr habe ich dabei Tränen in den Augen.


Nicht, weil jetzt alles so "furchtbar" ist - das ist es nicht.


Ich betrauere die enttäuschte Hoffnung.


Wenn man ein Neugeborenes in dem Arm hält, ist alles, was man will, diesem neuen Leben alles zu geben, was es verdient, und nicht nur das Kind: Auch Eltern haben eine intakte Familie verdient. Und wir hatten so viel Hoffnung, hatten uns so gefreut. Und vieles haben wir gut gemacht und machen nach wie vor vieles gut.


Dennoch: Als mein Sohn 20 Monate alt war, lebten wir zwei bereits allein. Ich war ausgezogen, weil ich keine Hoffnung mehr hatte. Keine Hoffnung, dass wir uns jemals gegenseitig helfen könnten, unsere beider Rucksäcke zu tragen. Keine Hoffnung, dass wir jemals als Paar zueinander finden und uns vertrauen könnten. Keine Hoffnung, dass mein Sohn in einer intakten Familie großwerden würde. Die Hoffnung, dass ich eine intakte Familie haben würde.


Ziemlich bald nach der Geburt äußerte ich, dass ich ein zweites Kind haben wollte, "in fünf Jahren oder so...". Im Nachhinein wird mir klar, dass dieser Wunsch wohl vor allem daher rührte, dass ich auch gern unter schöneren Bedingungen ein Kind geboren hätte. Heute kann ich sagen: Ich würde gern meinen Sohn noch einmal - weniger gewaltsam - zur Welt bringen und ihn danach in Empfang nehmen, so wie ein Kind es verdient, wenn er mir auf die Brust gelegt wird.


Ich denke, der Wunsch nach Kompensation bedingt vieles von dem, wie ich empfinde und handle. Es sind Schuldgefühle, die ich im Rucksack habe.


Die Angst, mein Sohn könnte Schaden nehmen oder unglücklich werden, hat mich aber vielleicht auch zu einer guten Mutter werden lassen. Dass mein Bauchgefühl mich zu dem, was man gemeinhin als "attachment parenting" versteht**, geleitet hat, liegt sicher auch daran, dass ich ihm durch meine Schuldgefühle alles an Liebe angedeihen lassen wollte, was ich habe. Dass ich selbst mit Liebe großgezogen wurde, hat damit aber sicher auch viel zu tun. Und so waren die Bedürfnisse meines Kindes immer das Allerwichtigste und mir tat die Nähe zu ihm auch gut. An dieser Stelle muss ich aber auch sagen, dass sein Vater ein großartiger Partner in Sachen attachment parenting war. Und auch jetzt bei seinem zweiten Kind immer noch ist, das weiß ich aus Erzählungen meines Sohnes.


Ich habe kein zweites Kind bekommen. Und wie es aussieht, werde ich auch kein weiteres Kind mehr bekommen. Ich habe viel dafür geopfert, mein Studium trotz der widrigen Umstände durchzuziehen, vor allem Zeit mit meinem Kind. Weil ich hoffe, dass es uns wenigstens wirtschaftlich besser gehen wird, wenn ich ein abgeschlossenes Studium habe, und, weil ich ihm selbst den Weg ebnen will, dass ihm später alle Türen offen stehen. Ich bin seine primäre Bezugsperson und ich möchte ihm ein Vorbild sein. Und nun, mit 38 Jahren, wird die Zeit knapp.


Andere Alleinerziehende haben andere Prioritäten - zum Beispiel, möglichst bald wieder eine intakte Stief-/Patchworkfamilie herzustellen und das ist auch gut und richtig!


Für mich gab es diese Alternative vor allem am Anfang nicht; nach vielen traumatischen Jahren (schon bevor ich den Vater meines Sohnes kennenlernte) brauchte ich vor allem eins und das war Stabilität. Und somit auch eher eine stabile, teilweise ziemlich miserable Lage, als eine erneute hoffnungsvolle Runde "trial and error".


Ich hadere oft mit meinem - nein: unserem Werdegang. Ich bin nun genau 38,5 Jahre alt und baue auf Karriere. Gedanken an einen zweiten Versuch "Familie" verdränge ich, es ist wohl das Beste. Und mein Sohn hat jetzt ja wenigstens eine kleine Schwester, die er heiß und innig liegt. Aber ich weiß, dass der Junge sich im Alltag nach einer Familie sehnt, die mehr Personen umfasst, als nur ihn und mich.


Morgen feiern wir seinen Geburtstag. Wie jedes Jahr bin ich im Stress. Seit 2011 waren es die Klausuren Anfang Februar, dieses Jahr ist es die Masterarbeit. Ich denke dabei an meine eigenen Geburtstage und wie sehr ich den schönen Geburtstagtisch und den Kuchen geliebt habe. Und natürlich die Geschenke. Und auch  mein Sohn liebt seinen Geburtstag und er wird immer gebührend gefeiert. Dieses Jahr fällt er auch einen Freitag und wie feiern quasi das ganze Wochenende, mit meiner Mutter und mit meinen Freunden. Kindergeburtstag wird bei uns der 1/2 gefeiert, im August, wo man rausgehen kann.


Und nun backe ich Kuchen und kaufe Geschenkpapier.


[*An dieser Stelle möchte ich bemerken, wie komisch es sich anfühlt, "mein Mann" zu schreiben. Es ist allerdings genau so seltsam, immer "der Kindsvater" oder andere Umschreibungen zu finden. De facto waren wir verheiratet, wenn auch nur kurz und irgendwie nie so richtig...
**Heißt NICHT: Attachment parenting macht Eltern zu "guten" Eltern. Es heißt: Für mich und uns war es richtig und konnte vieles puffern und in die richtigen Bahnen leiten. Bedürfnisorientierung sollte die Eltern nicht vernachlässigen.]