Montag, 11. April 2016

Reality bites

"Und, wie läuft's?"
"Naja. Nicht so toll."
"Was los, erzähl!"

In letzter Zeit kommt es immer häufiger vor, dass ich an dieser Stelle sage, dass ich nicht darüber reden will. Sowas mochte ich eigentlich nie. Ich habe es immer vorgezogen, mindestens eine kurze Antwort zu geben, weil ich immer dachte, dass mein Gegenüber sonst anfangen würde zu spekulieren oder es einfach so wirke, als wolle ich mich einfach interessanter machen. Und einfach zu sagen "Mir geht's gut.", wenn es nicht der Fall ist, ist nicht meins.

Was ist passiert? Nichts. Dabei wäre es höchste Zeit, dass etwas passiert.

Es ist noch nicht lange her, da habe ich Freudentränen vergossen. Weil es ganz so aussah, als ob endlich Licht am Ende des Tunnels zu sehen sei. Das Studium neigt sich dem Ende entgegen und seit Mitte 2013 arbeite ich eigentlich gezielt auf ein Ziel hin, nämlich nach dem Studium wissenschaftlich tätig sein zu können, wobei eine Promotionsmöglichkeit das Sahnehäubchen sein sollte. Nur ist das natürlich nicht ganz so einfach, wenn man
a) räumlich nicht flexibel ist, weil man sein Kind nicht aus seinem gewohnten Umfeld herausreißen und erst recht nicht von dem klein wenig Familienanschluss trennen möchte
b) man altersmäßig aus dem Rahmen der meisten Stipendien herausfällt und
c) man in die Rentenkasse einzahlen muss und aus der studentischen Krankenversicherung herausfällt, was eine Anstellung unverzichtbar und ein Stipendium, selbst, wenn man mit viel Glück eins bekäme, hinfällig macht.

Tatsächlich sah es bis vor Kurzem so aus, als ob es für mich zwei Möglichkeiten gebe. Ich habe mich nicht darauf verlassen, aber hatte das Gefühl, als ob es durchaus realistische Chanen geben könnte - "Alles wird gut.", dessen war ich mir schon relativ sicher.

Was tatsächlich geschehen ist, ist, dass ich nun eine 25%-Stelle habe - ein Traum. Ich darf mich mit einem Thema beschäftigten, das mich wissenschaftlich brennend interessiert und mit dem ich mich in letzter Zeit privat mehr beschäftigt habe, als ich es mir mit der noch nicht fertigen Masterarbeit leisten kann. Die Tatsache, dass ich mich nun gegen Bezahlung damit befassen darf, empfinde ich als großen Luxus. Und der Dienstausweis in der Tasche fühlt sich gut an.

Im Oktober darf ich den Dienstausweis dann auch wieder abgeben, die Stelle ist befristet und es sieht nicht gerade so aus, als ob es ein Danach gäbe - wie das halt so mit befristeten Stellen ist.

Mit meiner Masterarbeit möchte ich im Sommer fertig sein und nun weiß ich wieder nicht, was danach auf mich zukommt. Dafür weiß ich, was im Rahmen meiner Masterarbeit noch auf mich zukommt. In meiner großen Menge an Daten möchte ich herausfinden, was die Zusammenhänge zwischen Stress und Wohlbefinden bei alleinerziehenden Frauen mit neuem Partner moderiert - also welche Faktoren dazu führen, dass es einer Alleinerziehenden mit Freund besser oder schlechter geht. In einem Datensatz mit über 210.000 Zahlen. 

Dafür habe ich ein halbes Jahr Testverfahren zusammengestellt, an einer online-Befragung herumprogrammiert und die Daten von über 600 Frauen erhoben. Alleine. Und nun frage ich mich, warum ich mir so etwas angetan habe. Ich hätte mir ebenso gut ein Thema von einem Lehrstuhl geben lassen können - schon geplant und evt. mit einem fertigen Datensatz. Ein völlig legitimes und vernünftiges Vorgehen - hätte ich vermutlich auch gemacht, wäre ich nicht fest davon überzeugt, dass es sich lohnt, selbst etwas auf die Beine zu stellen, wenn man forschen will.

Ich war eigentlich immer davon überzeugt, dass sich der schwierigere Weg lohnt - nicht, weil ich ein naives Gerechtigkeitsempfinden habe, sondern, weil manche Dinge Zeit brauchen und weil man sich für Dinge, die es wert sind, anstrengen muss. Und ich habe wirklich gekämpft. Zähne zusammengebissen. Augen zu und durch. Im Moment fühle ich mich, als würde ich in jedem Lebensbereich trotz Anstrengung, Geduld und gutem Willen, Motivation und Einsatz scheitern.

Ja, ich weiß, das klingt furchtbar und pathetisch und jämmerlich. Aber irgendwann geht auch mir die Kraft aus. Die Unsicherheit macht mich mürbe.

Während ich das schreibe, bekomme ich Nachrichten von Söhnchens Papa, der mir begeistert und voller Stolz erzählt, wie süß die beiden Kinder miteinander sind.
Ich freue mich - nicht nur für ihn, sondern auch darüber, dass wir diesen Umgang miteinander gefunden haben und er mir solche Nachrichten überhaupt schreibt. Es ist gut zu wissen, dass es ihm und seiner kleinen Familie gut geht. Er ist glücklich.

Es ist nicht gut, darüber nachzudenken, wovon ich weit, weit entfernt bin und was ich vermutlich alles nicht haben werde.

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