Montag, 13. Juni 2016

Chances of repartnering after relationship breakdown

Es ist Montag, 4.40 Uhr und ich bin wach. Noch. Und ich werde es auch bleiben. Spätestens, wenn die Vögel anfangen zu zwitschern, komme ich an den Punkt, an dem mir klar wird, dass die Nacht gelaufen ist. Und es ist die zweite Nacht dieser Art innerhalb von nicht einmal zwei Wochen - kein gutes Zeichen.

Unter das Gezwitscher der Vögel mischt sich der Regen draußen und das leise Geschnarche meines Sohnes drinnen. Ich hatte ja gehofft, er würde diese Nacht mir mein Bett mal allein überlassen; immerhin ist er in seinem Zimmer eingeschlafen. Aber just in dem Moment, als ich mich hineinschlich, bevor ich schlafen gehen wollte, war er scheinbar gerade aufgewacht und ergriff die Gelegenheit beim Schopf, gleich überzusiedeln.

Was genau mir den Schlaf raubt, kann ich nicht sagen. Es wird wohl einiges zusammenkommen. In den letzten Wochen ist viel passiert. Das wiederum verursacht wohl auch die Anhänglichkeit meines Sohnes.

Ich habe ja schon darüber erzählt, welche Gedanken zu meiner Masterarbeit geführt haben. Vor zwei Jahren habe ich angefangen, darüber nachzudenken und aktuell schreibe ich an meinem theoretischen Hintergrund.

Da geht es ganz viel um Belastung - Belastungen alleinerziehender Mütter, welche vor allem aus einer Art Teufelskreis aus Armutsrisiko, sozialer Isolation, Arbeitslosigkeit oder -überlastung und den Folgen einer Scheidung - wirtschaftlich und sozial in Form von Konflikten - resultieren. Dann geht es um das erhöhte Risiko psychischer und körperlicher Folgen. Um die Notwendigkeit von Unterstützung und um das riesengroße Unterstützungspotential von Partnerschaften - allgemein, auch ohne Belastung, aber erst recht in großen Belastungssituationen. Und dann um die Perspektiven von Alleinerziehenden in Punkto neue Partnerschaft.

Ganz ehrlich - wenn ich gewusst hätte, was da auf mich zukommt, hätte ich das Thema nicht gewählt. In den ersten Jahren meiner Zeit allein mit Kind ging es mir zwar nicht gut, aber ich habe nicht zugelassen, dass es mich komplett runterzog. Ich habe einfach die Ärmel hochgekrempelt und gekämpft. Ich habe mich einfach geweigert, mich als Alleinerziehende zu akzeptieren. Alleinerziehend, das war ein Begriff, sonst nichts. Was mich getragen hat, war der unmittelbar nach meinem Auszug entstandene Plan, es beruflich so richtig krachen zu lassen und eine hammermäßig fette wissenschaftliche Karriere hinzulegen. Na gut, so richtig wird das mit Mitte/Ende dreißig nichts mehr mit der fetten Karriere. Aber irgendwie würde ich uns schon zumindest aus der finanziellen Misere herausmanövrieren, sodass wir wenigstens ein drittes Zimmer haben könnten und mal in Urlaub fahren. Ich wollte nie, nie mehr in die Situation kommen, wirtschaftlich abhängig zu sein, wenn ich es mal aus der Abhängigkeit herausgeschafft hätte. Ich wollte Sorge tragen, dass ich es notfalls immer ohne Partner schaffen würde, meinem Kind beste Voraussetzungen zu schaffen, ihm ein Vorbild sein und ein bisschen was von der Welt zeigen. Diese Phantasie hat mich über die ersten Jahre hinweg gerettet. Sonja wird die Superheldin und ein neuer Partner würde sowieso nur das i-Tüpfelchen - vermutlich hat das auch dafür gesorgt, dass mein Bild von Partnerschaft erst mal ganz schön schräg war und erst mal gerade gebogen werden musste.

Meine Motivation, mich in die Arbeit zu stürzen, dabei für meinen Sohn alles zu sein und die Bedürfnisse meiner Seele hinten an zu stellen haben mich nach zwei Jahren zum ersten Mal zusammenklappen lassen. Ich habe es in fast sechs Jahren immer noch nicht geschafft, mich um meinen total verkorksten Rücken zu kümmern und diese verfluchten 10, 15 Kilo loszuwerden, die mich einfach total ankeksen. Aber es hilft ja nichts. Augen zu und durch.

Die Folgen dieser langen Zeit alleine formen auch die Identität und die Voraussetzungen, mit denen man, wenn überhaupt, in neue Beziehungen hineingeht.

Ich habe nämlich mittlerweile auch die Erfahrung gemacht, dass man genau als das wahrgenommen wird: Als eine bewundernswerte Superfrau, mit der man sich gern umgibt - aber die so richtig ernsthaft als Partnerin nicht infrage kommt, da mein Plan ja die wissenschaftliche Karriere ist.

Wie um alles in der Welt kann man das eigentlich richtig machen? Auf dem "Markt" da draußen will sich immer jeder alle Möglichkeiten schön warm halten und sich ja nicht entscheiden müssen; möglichst lange die Chance haben, etwas besseres zu finden oder erst tausendprozentig sicher sein, dass nichts besseres mehr kommt.

Als Frau Ende 30 mit Kind ist man in den seltensten Fällen die beste Alternative. Es gibt meist jüngere, attraktivere und vor allem kinderlose Frauen - das zeigt leider auch die Statistik, wie ich mir in den letzten Tagen gehäuft reinziehen musste. "Chances of repartnering after relationship breakdown" und so. Frauen mit Kinder haben ein Problem und mit zunehmendem Alter sinken die Chancen.

Als vernünftige (endlich!) Frau weiß man sowas auch ohne sich das von empirischen Arbeiten unter die Nase reiben zu lassen. Und was macht man? Richtig. Wenn man alle Felle davonschwimmen sieht, bringt man zumindest sein eigenes kleines Schäfchen unter maximalem Kraftaufwand ins Trockene, wobei man jeden Tag Opfer bringt. Warum man das tut, verdrängt man natürlich! Man macht aus der Not eine Tugend und erfreut sich an seiner Arbeit und seinen Erfolgen und sagt sich, dass das Ziel es wert ist. Und schon hat man einen Ausweg aus dem Karasek-Modell, das besagt, dass bei hohen Anforderungen mit wenig Spielraum nichts Gutes dabei herauskommt, aber hohe Anforderungen und viel Spielraum pushen - und indem man sich sagt, man will es, hat man nicht nur mehr Spielraum, man hat ein ganzes Entwicklungs-Spielfeld, auf dem man sich austoben kann und ganz nebenbei die Perspektive: Bessere Qualifikation, bessere Chancen zu überleben.

Ich sage nicht, dass ich das ungern tue. Mir macht es tatsächlich Spaß. Aber es steht nicht über allem.

Und ich behaupte nun, dass das der Killerfaktor sein kann, der die Chancen für eine neue Partnerschaft noch zusätzlich reduziert. Ich sage bewusst nicht, dass es unmöglich wird, ich rede natürlich auch nur von Statistik, wie immer.

Trotzdem arbeitet es in mir und ich frage mich, wie man es als Frau in meiner Lage überhaupt "richtig" machen kann? Wobei ich nicht der Typ bin, der überhaupt versucht, etwas richtig zu machen. Ich kann nicht mehr, als mein Leben so führen, wie die Umstände es verlangen und versuchen, es auch alleine hinzukriegen, für den Fall, dass ich nicht das unheimlich große Glück habe, jemanden zu finden, der da mitgeht und den Rucksack auf meinem Rücken sieht. Er muss ihn mir nicht abnehmen, er muss ihn  nur wahrnehmen und verstehen, was er bedeutet. Und gut finden, dass ich ihn tragen kann. Und dann vielleicht ein bisschen was von dem Gewicht nach und nach zusammen mit mir herausnehmen, bis er leichter wird und ich damit tanzen kann.









Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen